Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Haus zu verlassen, auf das Theater zu ge¬
hen, mir seine Hand anzubieten.

Leere Hände haben wir schon vier.

Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort,
entscheide du! Stoße mich da oder dort hin,
nur wisse noch eins: wahrscheinlich trag' ich
ein Pfand im Busen, das uns noch mehr an
einander fesseln sollte, das bedenke und ent¬
scheide, wen soll ich lassen? wem soll ich
folgen?

Nach einigem Stillschweigen rief die Alte:
daß doch die Jugend immer zwischen den
Extremen schwankt! Ich finde nichts natürli¬
cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬
gnügen und Vortheil bringt. Liebst du den
Einen, so mag der Andere bezahlen, es
kommt nur darauf an, daß wir klug genug
sind, sie beide auseinander zu halten. --

Mache was du willst, ich kann nichts
denken; aber folgen will ich.

Haus zu verlaſſen, auf das Theater zu ge¬
hen, mir ſeine Hand anzubieten.

Leere Hände haben wir ſchon vier.

Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort,
entſcheide du! Stoße mich da oder dort hin,
nur wiſſe noch eins: wahrſcheinlich trag’ ich
ein Pfand im Buſen, das uns noch mehr an
einander feſſeln ſollte, das bedenke und ent¬
ſcheide, wen ſoll ich laſſen? wem ſoll ich
folgen?

Nach einigem Stillſchweigen rief die Alte:
daß doch die Jugend immer zwiſchen den
Extremen ſchwankt! Ich finde nichts natürli¬
cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬
gnügen und Vortheil bringt. Liebſt du den
Einen, ſo mag der Andere bezahlen, es
kommt nur darauf an, daß wir klug genug
ſind, ſie beide auseinander zu halten. —

Mache was du willſt, ich kann nichts
denken; aber folgen will ich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="104"/>
Haus zu verla&#x017F;&#x017F;en, auf das Theater zu ge¬<lb/>
hen, mir &#x017F;eine Hand anzubieten.</p><lb/>
            <p>Leere Hände haben wir &#x017F;chon vier.</p><lb/>
            <p>Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort,<lb/>
ent&#x017F;cheide du! Stoße mich da oder dort hin,<lb/>
nur wi&#x017F;&#x017F;e noch eins: wahr&#x017F;cheinlich trag&#x2019; ich<lb/>
ein Pfand im Bu&#x017F;en, das uns noch mehr an<lb/>
einander fe&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;ollte, das bedenke und ent¬<lb/>
&#x017F;cheide, wen &#x017F;oll ich la&#x017F;&#x017F;en? wem &#x017F;oll ich<lb/>
folgen?</p><lb/>
            <p>Nach einigem Still&#x017F;chweigen rief die Alte:<lb/>
daß doch die Jugend immer zwi&#x017F;chen den<lb/>
Extremen &#x017F;chwankt! Ich finde nichts natürli¬<lb/>
cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬<lb/>
gnügen und Vortheil bringt. Lieb&#x017F;t du den<lb/>
Einen, &#x017F;o mag der Andere bezahlen, es<lb/>
kommt nur darauf an, daß wir klug genug<lb/>
&#x017F;ind, &#x017F;ie beide auseinander zu halten. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Mache was du will&#x017F;t, ich kann nichts<lb/>
denken; aber folgen will ich.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0112] Haus zu verlaſſen, auf das Theater zu ge¬ hen, mir ſeine Hand anzubieten. Leere Hände haben wir ſchon vier. Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort, entſcheide du! Stoße mich da oder dort hin, nur wiſſe noch eins: wahrſcheinlich trag’ ich ein Pfand im Buſen, das uns noch mehr an einander feſſeln ſollte, das bedenke und ent¬ ſcheide, wen ſoll ich laſſen? wem ſoll ich folgen? Nach einigem Stillſchweigen rief die Alte: daß doch die Jugend immer zwiſchen den Extremen ſchwankt! Ich finde nichts natürli¬ cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬ gnügen und Vortheil bringt. Liebſt du den Einen, ſo mag der Andere bezahlen, es kommt nur darauf an, daß wir klug genug ſind, ſie beide auseinander zu halten. — Mache was du willſt, ich kann nichts denken; aber folgen will ich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/112
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/112>, abgerufen am 24.11.2024.