es denn ein so großes Unglück, zwey Liebha¬ ber zu besitzen? Und wenn du auch deine Zärtlichkeit nur dem einen schenken kannst; so sey wenigstens dankbar gegen den andern, der, nach der Art wie er für dich sorgt, ge¬ wiß dein Freund genannt zu werden ver¬ dient.
Es ahndete meinem Geliebten, versetzte Mariane dagegen mit Thränen, daß uns eine Trennung bevorstehe; ein Traum hat ihm entdeckt, was wir ihm so sorgfältig zu verbergen suchen. Er schlief so ruhig an meiner Seite. Auf einmal höre ich ihn ängst¬ liche, unvernehmliche Töne stammeln. Mir wird bange, und ich wecke ihn auf. Ach! mit welcher Liebe, mit welcher Zärtlichkeit, mit welchem Feuer umarmt' er mich! O Mariane! rief er aus, welchem schrecklichen Zustande hast du mich entrissen! Wie soll ich dir danken. daß du mich aus dieser Hölle
es denn ein ſo großes Unglück, zwey Liebha¬ ber zu beſitzen? Und wenn du auch deine Zärtlichkeit nur dem einen ſchenken kannſt; ſo ſey wenigſtens dankbar gegen den andern, der, nach der Art wie er für dich ſorgt, ge¬ wiß dein Freund genannt zu werden ver¬ dient.
Es ahndete meinem Geliebten, verſetzte Mariane dagegen mit Thränen, daß uns eine Trennung bevorſtehe; ein Traum hat ihm entdeckt, was wir ihm ſo ſorgfältig zu verbergen ſuchen. Er ſchlief ſo ruhig an meiner Seite. Auf einmal höre ich ihn ängſt¬ liche, unvernehmliche Töne ſtammeln. Mir wird bange, und ich wecke ihn auf. Ach! mit welcher Liebe, mit welcher Zärtlichkeit, mit welchem Feuer umarmt’ er mich! O Mariane! rief er aus, welchem ſchrecklichen Zuſtande haſt du mich entriſſen! Wie ſoll ich dir danken. daß du mich aus dieſer Hölle
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es denn ein ſo großes Unglück, zwey Liebha¬
ber zu beſitzen? Und wenn du auch deine
Zärtlichkeit nur dem einen ſchenken kannſt;
ſo ſey wenigſtens dankbar gegen den andern,
der, nach der Art wie er für dich ſorgt, ge¬
wiß dein Freund genannt zu werden ver¬
dient.
Es ahndete meinem Geliebten, verſetzte
Mariane dagegen mit Thränen, daß uns
eine Trennung bevorſtehe; ein Traum hat
ihm entdeckt, was wir ihm ſo ſorgfältig zu
verbergen ſuchen. Er ſchlief ſo ruhig an
meiner Seite. Auf einmal höre ich ihn ängſt¬
liche, unvernehmliche Töne ſtammeln. Mir
wird bange, und ich wecke ihn auf. Ach!
mit welcher Liebe, mit welcher Zärtlichkeit,
mit welchem Feuer umarmt’ er mich! O
Mariane! rief er aus, welchem ſchrecklichen
Zuſtande haſt du mich entriſſen! Wie ſoll
ich dir danken. daß du mich aus dieſer Hölle
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/108>, abgerufen am 28.11.2024.
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