Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

crutirt wurden: denn Väter und Söhne hiel¬
ten sich Studirens- oder Geschäfts wegen
länger oder kürzer in Straßburg auf.

An unserm Tische ward gleichfalls nichts
wie Deutsch gesprochen. Salzmann drückte
sich im Französischen mit vieler Leichtigkeit
und Eleganz aus, war aber unstreitig dem
Streben und der That nach ein vollkomme¬
ner Deutscher; Lersen hätte man als Muster
eines deutschen Jünglings aufstellen können;
Meyer von Lindau schlenderte lieber auf gut
deutsch, als daß er sich auf gut französisch
hätte zusammennehmen sollen, und wenn un¬
ter den übrigen auch mancher zu gallischer
Sprache und Sitte hinneigte, so ließen sie
doch, so lange sie bey uns waren, den allge¬
meinen Ton auch über sich schalten und walten.

Von der Sprache wendeten wir uns zu
den Staatsverhältnissen. Zwar wußten wir
von unserer Reichsverfassung nicht viel Löbli¬

6 *

crutirt wurden: denn Vaͤter und Soͤhne hiel¬
ten ſich Studirens- oder Geſchaͤfts wegen
laͤnger oder kuͤrzer in Straßburg auf.

An unſerm Tiſche ward gleichfalls nichts
wie Deutſch geſprochen. Salzmann druͤckte
ſich im Franzoͤſiſchen mit vieler Leichtigkeit
und Eleganz aus, war aber unſtreitig dem
Streben und der That nach ein vollkomme¬
ner Deutſcher; Lerſen haͤtte man als Muſter
eines deutſchen Juͤnglings aufſtellen koͤnnen;
Meyer von Lindau ſchlenderte lieber auf gut
deutſch, als daß er ſich auf gut franzoͤſiſch
haͤtte zuſammennehmen ſollen, und wenn un¬
ter den uͤbrigen auch mancher zu galliſcher
Sprache und Sitte hinneigte, ſo ließen ſie
doch, ſo lange ſie bey uns waren, den allge¬
meinen Ton auch uͤber ſich ſchalten und walten.

Von der Sprache wendeten wir uns zu
den Staatsverhaͤltniſſen. Zwar wußten wir
von unſerer Reichsverfaſſung nicht viel Loͤbli¬

6 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="83"/>
crutirt wurden: denn Va&#x0364;ter und So&#x0364;hne hiel¬<lb/>
ten &#x017F;ich Studirens- oder Ge&#x017F;cha&#x0364;fts wegen<lb/>
la&#x0364;nger oder ku&#x0364;rzer in Straßburg auf.</p><lb/>
        <p>An un&#x017F;erm Ti&#x017F;che ward gleichfalls nichts<lb/>
wie Deut&#x017F;ch ge&#x017F;prochen. Salzmann dru&#x0364;ckte<lb/>
&#x017F;ich im Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen mit vieler Leichtigkeit<lb/>
und Eleganz aus, war aber un&#x017F;treitig dem<lb/>
Streben und der That nach ein vollkomme¬<lb/>
ner Deut&#x017F;cher; Ler&#x017F;en ha&#x0364;tte man als Mu&#x017F;ter<lb/>
eines deut&#x017F;chen Ju&#x0364;nglings auf&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen;<lb/>
Meyer von Lindau &#x017F;chlenderte lieber auf gut<lb/>
deut&#x017F;ch, als daß er &#x017F;ich auf gut franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch<lb/>
ha&#x0364;tte zu&#x017F;ammennehmen &#x017F;ollen, und wenn un¬<lb/>
ter den u&#x0364;brigen auch mancher zu galli&#x017F;cher<lb/>
Sprache und Sitte hinneigte, &#x017F;o ließen &#x017F;ie<lb/>
doch, &#x017F;o lange &#x017F;ie bey uns waren, den allge¬<lb/>
meinen Ton auch u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;chalten und walten.</p><lb/>
        <p>Von der Sprache wendeten wir uns zu<lb/>
den Staatsverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en. Zwar wußten wir<lb/>
von un&#x017F;erer Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung nicht viel Lo&#x0364;bli¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0091] crutirt wurden: denn Vaͤter und Soͤhne hiel¬ ten ſich Studirens- oder Geſchaͤfts wegen laͤnger oder kuͤrzer in Straßburg auf. An unſerm Tiſche ward gleichfalls nichts wie Deutſch geſprochen. Salzmann druͤckte ſich im Franzoͤſiſchen mit vieler Leichtigkeit und Eleganz aus, war aber unſtreitig dem Streben und der That nach ein vollkomme¬ ner Deutſcher; Lerſen haͤtte man als Muſter eines deutſchen Juͤnglings aufſtellen koͤnnen; Meyer von Lindau ſchlenderte lieber auf gut deutſch, als daß er ſich auf gut franzoͤſiſch haͤtte zuſammennehmen ſollen, und wenn un¬ ter den uͤbrigen auch mancher zu galliſcher Sprache und Sitte hinneigte, ſo ließen ſie doch, ſo lange ſie bey uns waren, den allge¬ meinen Ton auch uͤber ſich ſchalten und walten. Von der Sprache wendeten wir uns zu den Staatsverhaͤltniſſen. Zwar wußten wir von unſerer Reichsverfaſſung nicht viel Loͤbli¬ 6 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/91
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/91>, abgerufen am 25.11.2024.