Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

werth genug eine wohlgedachte Rede, ohne
Spur von Zwang und Pedantismus, väter¬
lich liebevoll auszusprechen, so daß wir uns
in dem Augenblick etwas dünkten, da er uns
wie die Könige und Fürsten behandelte, die
er öffentlich anzureden so oft berufen war.
Wir ließen unsere Zufriedenheit überlaut ver¬
nehmen, Trompeten- und Paukenschall er¬
klang wiederholt, und die allerliebste, hoff¬
nungsvolle academische Plebs verlor sich mit
innigem Behagen nach Hause.

Seine Schüler und Studienverwandten,
Koch und Oberlin, fanden zu mir schon
ein näheres Verhältniß. Meine Liebhaberey
zu alterthümlichen Resten war leidenschaftlich.
Sie ließen mich das Museum wiederholt be¬
trachten, welches die Belege zu seinem gro¬
ßen Werke über Elsaß vielfach enthielt. Eben
dieses Werk hatte ich erst nach jener Reise,
wo ich noch Alterthümer an Ort und Stelle
gefunden, näher kennen gelernt, und nunmehr

werth genug eine wohlgedachte Rede, ohne
Spur von Zwang und Pedantismus, vaͤter¬
lich liebevoll auszuſprechen, ſo daß wir uns
in dem Augenblick etwas duͤnkten, da er uns
wie die Koͤnige und Fuͤrſten behandelte, die
er oͤffentlich anzureden ſo oft berufen war.
Wir ließen unſere Zufriedenheit uͤberlaut ver¬
nehmen, Trompeten- und Paukenſchall er¬
klang wiederholt, und die allerliebſte, hoff¬
nungsvolle academiſche Plebs verlor ſich mit
innigem Behagen nach Hauſe.

Seine Schuͤler und Studienverwandten,
Koch und Oberlin, fanden zu mir ſchon
ein naͤheres Verhaͤltniß. Meine Liebhaberey
zu alterthuͤmlichen Reſten war leidenſchaftlich.
Sie ließen mich das Muſeum wiederholt be¬
trachten, welches die Belege zu ſeinem gro¬
ßen Werke uͤber Elſaß vielfach enthielt. Eben
dieſes Werk hatte ich erſt nach jener Reiſe,
wo ich noch Alterthuͤmer an Ort und Stelle
gefunden, naͤher kennen gelernt, und nunmehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="71"/>
werth genug eine wohlgedachte Rede, ohne<lb/>
Spur von Zwang und Pedantismus, va&#x0364;ter¬<lb/>
lich liebevoll auszu&#x017F;prechen, &#x017F;o daß wir uns<lb/>
in dem Augenblick etwas du&#x0364;nkten, da er uns<lb/>
wie die Ko&#x0364;nige und Fu&#x0364;r&#x017F;ten behandelte, die<lb/>
er o&#x0364;ffentlich anzureden &#x017F;o oft berufen war.<lb/>
Wir ließen un&#x017F;ere Zufriedenheit u&#x0364;berlaut ver¬<lb/>
nehmen, Trompeten- und Pauken&#x017F;chall er¬<lb/>
klang wiederholt, und die allerlieb&#x017F;te, hoff¬<lb/>
nungsvolle academi&#x017F;che Plebs verlor &#x017F;ich mit<lb/>
innigem Behagen nach Hau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Seine Schu&#x0364;ler und Studienverwandten,<lb/><hi rendition="#g">Koch</hi> und <hi rendition="#g">Oberlin</hi>, fanden zu mir &#x017F;chon<lb/>
ein na&#x0364;heres Verha&#x0364;ltniß. Meine Liebhaberey<lb/>
zu alterthu&#x0364;mlichen Re&#x017F;ten war leiden&#x017F;chaftlich.<lb/>
Sie ließen mich das Mu&#x017F;eum wiederholt be¬<lb/>
trachten, welches die Belege zu &#x017F;einem gro¬<lb/>
ßen Werke u&#x0364;ber El&#x017F;aß vielfach enthielt. Eben<lb/>
die&#x017F;es Werk hatte ich er&#x017F;t nach jener Rei&#x017F;e,<lb/>
wo ich noch Alterthu&#x0364;mer an Ort und Stelle<lb/>
gefunden, na&#x0364;her kennen gelernt, und nunmehr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0079] werth genug eine wohlgedachte Rede, ohne Spur von Zwang und Pedantismus, vaͤter¬ lich liebevoll auszuſprechen, ſo daß wir uns in dem Augenblick etwas duͤnkten, da er uns wie die Koͤnige und Fuͤrſten behandelte, die er oͤffentlich anzureden ſo oft berufen war. Wir ließen unſere Zufriedenheit uͤberlaut ver¬ nehmen, Trompeten- und Paukenſchall er¬ klang wiederholt, und die allerliebſte, hoff¬ nungsvolle academiſche Plebs verlor ſich mit innigem Behagen nach Hauſe. Seine Schuͤler und Studienverwandten, Koch und Oberlin, fanden zu mir ſchon ein naͤheres Verhaͤltniß. Meine Liebhaberey zu alterthuͤmlichen Reſten war leidenſchaftlich. Sie ließen mich das Muſeum wiederholt be¬ trachten, welches die Belege zu ſeinem gro¬ ßen Werke uͤber Elſaß vielfach enthielt. Eben dieſes Werk hatte ich erſt nach jener Reiſe, wo ich noch Alterthuͤmer an Ort und Stelle gefunden, naͤher kennen gelernt, und nunmehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/79
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/79>, abgerufen am 24.11.2024.