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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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was ich ihr vorlas. Manchmal zeichnete ich
ihr auch etwas hin, um die Gegenden leich¬
ter zu beschreiben, die ich gesehn hatte. Ei¬
nes Abends, als ich mir eben mancherley
Bilder wieder hervorgerufen, kam, bey un¬
tergehender Sonne, sie und ihre Umgebung
mir wie verklärt vor, und ich konnte mich
nicht enthalten, so gut es meine Unfähigkeit
zuließ, ihre Person und die Gegenstände des
Zimmers in ein Bild zu bringen, das unter
den Händen eines kunstfertigen Malers, wie
Kersting, höchst anmuthig geworden wäre.
Ich sendete es an eine auswärtige Freundinn
und legte als Commentar und Supplement
ein Lied hinzu.

Sieh in diesem Zauberspiegel
Einen Traum, wie lieb und gut,
Unter ihres Gottes Flügel,
Unsre Freundinn leidend ruht.

was ich ihr vorlas. Manchmal zeichnete ich
ihr auch etwas hin, um die Gegenden leich¬
ter zu beſchreiben, die ich geſehn hatte. Ei¬
nes Abends, als ich mir eben mancherley
Bilder wieder hervorgerufen, kam, bey un¬
tergehender Sonne, ſie und ihre Umgebung
mir wie verklaͤrt vor, und ich konnte mich
nicht enthalten, ſo gut es meine Unfaͤhigkeit
zuließ, ihre Perſon und die Gegenſtaͤnde des
Zimmers in ein Bild zu bringen, das unter
den Haͤnden eines kunſtfertigen Malers, wie
Kerſting, hoͤchſt anmuthig geworden waͤre.
Ich ſendete es an eine auswaͤrtige Freundinn
und legte als Commentar und Supplement
ein Lied hinzu.

Sieh in dieſem Zauberſpiegel
Einen Traum, wie lieb und gut,
Unter ihres Gottes Fluͤgel,
Unſre Freundinn leidend ruht.
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[460/0468] was ich ihr vorlas. Manchmal zeichnete ich ihr auch etwas hin, um die Gegenden leich¬ ter zu beſchreiben, die ich geſehn hatte. Ei¬ nes Abends, als ich mir eben mancherley Bilder wieder hervorgerufen, kam, bey un¬ tergehender Sonne, ſie und ihre Umgebung mir wie verklaͤrt vor, und ich konnte mich nicht enthalten, ſo gut es meine Unfaͤhigkeit zuließ, ihre Perſon und die Gegenſtaͤnde des Zimmers in ein Bild zu bringen, das unter den Haͤnden eines kunſtfertigen Malers, wie Kerſting, hoͤchſt anmuthig geworden waͤre. Ich ſendete es an eine auswaͤrtige Freundinn und legte als Commentar und Supplement ein Lied hinzu. Sieh in dieſem Zauberſpiegel Einen Traum, wie lieb und gut, Unter ihres Gottes Fluͤgel, Unſre Freundinn leidend ruht.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/468>, abgerufen am 23.11.2024.