Von so vielfachen Zerstreuungen, die doch meist zu ernsten, ja religiösen Betrachtungen Anlaß gaben, kehrte ich immer wieder zu meiner edlen Freundinn von Klettenberg zu¬ rück, deren Gegenwart meine stürmischen, nach allen Seiten hinstrebenden Neigungen und Leidenschaften, wenigstens für einen Au¬ genblick beschwichtigte, und der ich von sol¬ chen Vorsätzen, nach meiner Schwester, am liebsten Rechenschaft gab. Ich hätte wohl bemerken können, daß von Zeit zu Zeit ihre Gesundheit abnahm, allein ich verhehlte mir's, und durfte dieß um so eher, als ihre Heiter¬ keit mit der Krankheit zunahm. Sie pflegte nett und reinlich am Fenster in ihrem Sessel zu sitzen, vernahm die Erzählungen meiner Ausflüge mit Wohlwollen, so wie dasjenige
Von ſo vielfachen Zerſtreuungen, die doch meiſt zu ernſten, ja religioͤſen Betrachtungen Anlaß gaben, kehrte ich immer wieder zu meiner edlen Freundinn von Klettenberg zu¬ ruͤck, deren Gegenwart meine ſtuͤrmiſchen, nach allen Seiten hinſtrebenden Neigungen und Leidenſchaften, wenigſtens fuͤr einen Au¬ genblick beſchwichtigte, und der ich von ſol¬ chen Vorſaͤtzen, nach meiner Schweſter, am liebſten Rechenſchaft gab. Ich haͤtte wohl bemerken koͤnnen, daß von Zeit zu Zeit ihre Geſundheit abnahm, allein ich verhehlte mir's, und durfte dieß um ſo eher, als ihre Heiter¬ keit mit der Krankheit zunahm. Sie pflegte nett und reinlich am Fenſter in ihrem Seſſel zu ſitzen, vernahm die Erzaͤhlungen meiner Ausfluͤge mit Wohlwollen, ſo wie dasjenige
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[[459]/0467]
Von ſo vielfachen Zerſtreuungen, die doch
meiſt zu ernſten, ja religioͤſen Betrachtungen
Anlaß gaben, kehrte ich immer wieder zu
meiner edlen Freundinn von Klettenberg zu¬
ruͤck, deren Gegenwart meine ſtuͤrmiſchen,
nach allen Seiten hinſtrebenden Neigungen
und Leidenſchaften, wenigſtens fuͤr einen Au¬
genblick beſchwichtigte, und der ich von ſol¬
chen Vorſaͤtzen, nach meiner Schweſter, am
liebſten Rechenſchaft gab. Ich haͤtte wohl
bemerken koͤnnen, daß von Zeit zu Zeit ihre
Geſundheit abnahm, allein ich verhehlte mir's,
und durfte dieß um ſo eher, als ihre Heiter¬
keit mit der Krankheit zunahm. Sie pflegte
nett und reinlich am Fenſter in ihrem Seſſel
zu ſitzen, vernahm die Erzaͤhlungen meiner
Ausfluͤge mit Wohlwollen, ſo wie dasjenige
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. [459]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/467>, abgerufen am 23.11.2024.
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