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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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als dem König der Gestirne, ausschließliche
Verehrung gewidmet. Nicht lange, so be¬
wegt sich der Mond herauf und gewinnt Aug'
und Herz des Anbetenden, der sodann, durch
die hervortretende Sonne herrlich erquickt und
gestärkt, zu neuem Preise aufgerufen wird.
Aber dieser Wechsel, wie erfreulich er auch seyn
mag, ist dennoch beunruhigend, das Gemüth
empfindet, daß es sich nochmals überbieten
muß; es erhebt sich zu Gott, dem Einzigen,
Ewigen, Unbegrenzten, dem alle diese begrenz¬
ten herrlichen Wesen ihr Daseyn zu verdanken
haben. Diese Hymne hatte ich mit viel Lie¬
be gedichtet; sie ist verloren gegangen, wür¬
de sich aber zum Zweck einer Cantate wohl
wieder herstellen lassen, und sich dem Musi¬
ker durch die Mannigfaltigkeit des Ausdrucks
empfehlen. Man müßte sich aber, wie es
auch damals schon die Absicht war, den An¬
führer einer Carawane mit seiner Familie und
dem ganzen Stamme denken, und so würde

als dem Koͤnig der Geſtirne, ausſchließliche
Verehrung gewidmet. Nicht lange, ſo be¬
wegt ſich der Mond herauf und gewinnt Aug'
und Herz des Anbetenden, der ſodann, durch
die hervortretende Sonne herrlich erquickt und
geſtaͤrkt, zu neuem Preiſe aufgerufen wird.
Aber dieſer Wechſel, wie erfreulich er auch ſeyn
mag, iſt dennoch beunruhigend, das Gemuͤth
empfindet, daß es ſich nochmals uͤberbieten
muß; es erhebt ſich zu Gott, dem Einzigen,
Ewigen, Unbegrenzten, dem alle dieſe begrenz¬
ten herrlichen Weſen ihr Daſeyn zu verdanken
haben. Dieſe Hymne hatte ich mit viel Lie¬
be gedichtet; ſie iſt verloren gegangen, wuͤr¬
de ſich aber zum Zweck einer Cantate wohl
wieder herſtellen laſſen, und ſich dem Muſi¬
ker durch die Mannigfaltigkeit des Ausdrucks
empfehlen. Man muͤßte ſich aber, wie es
auch damals ſchon die Abſicht war, den An¬
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[453/0461] als dem Koͤnig der Geſtirne, ausſchließliche Verehrung gewidmet. Nicht lange, ſo be¬ wegt ſich der Mond herauf und gewinnt Aug' und Herz des Anbetenden, der ſodann, durch die hervortretende Sonne herrlich erquickt und geſtaͤrkt, zu neuem Preiſe aufgerufen wird. Aber dieſer Wechſel, wie erfreulich er auch ſeyn mag, iſt dennoch beunruhigend, das Gemuͤth empfindet, daß es ſich nochmals uͤberbieten muß; es erhebt ſich zu Gott, dem Einzigen, Ewigen, Unbegrenzten, dem alle dieſe begrenz¬ ten herrlichen Weſen ihr Daſeyn zu verdanken haben. Dieſe Hymne hatte ich mit viel Lie¬ be gedichtet; ſie iſt verloren gegangen, wuͤr¬ de ſich aber zum Zweck einer Cantate wohl wieder herſtellen laſſen, und ſich dem Muſi¬ ker durch die Mannigfaltigkeit des Ausdrucks empfehlen. Man muͤßte ſich aber, wie es auch damals ſchon die Abſicht war, den An¬ fuͤhrer einer Carawane mit ſeiner Familie und dem ganzen Stamme denken, und ſo wuͤrde

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/461>, abgerufen am 23.11.2024.