von mir zu empfangen. Ich war meiner bis¬ herigen Thorheiten und Frechheiten müde, hinter denen ich doch eigentlich nur den Un¬ muth verbarg, daß für mein Herz, für mein Gemüth auf dieser Reise so wenig gesorgt werde; es brach daher mein Inneres mit Gewalt hervor, und dieß mag die Ursache seyn, warum ich mich der einzelnen Vor¬ gänge wenig erinnere. Das was man ge¬ dacht, die Bilder die man gesehn, lassen sich in dem Verstand und in der Einbildungs¬ kraft wieder hervorrufen; aber das Herz ist nicht so gefällig, es wiederholt uns nicht die schönen Gefühle, und am wenigsten sind wir vermögend, uns enthusiastische Momente wie¬ der zu vergegenwärtigen; man wird unvorbe¬ reitet davon überfallen und überläßt sich ihnen unbewußt. Andere die uns in solchen Augen¬ blicken beobachten, haben deshalb davon eine klarere und reinere Ansicht als wir selbst.
III. 28
von mir zu empfangen. Ich war meiner bis¬ herigen Thorheiten und Frechheiten muͤde, hinter denen ich doch eigentlich nur den Un¬ muth verbarg, daß fuͤr mein Herz, fuͤr mein Gemuͤth auf dieſer Reiſe ſo wenig geſorgt werde; es brach daher mein Inneres mit Gewalt hervor, und dieß mag die Urſache ſeyn, warum ich mich der einzelnen Vor¬ gaͤnge wenig erinnere. Das was man ge¬ dacht, die Bilder die man geſehn, laſſen ſich in dem Verſtand und in der Einbildungs¬ kraft wieder hervorrufen; aber das Herz iſt nicht ſo gefaͤllig, es wiederholt uns nicht die ſchoͤnen Gefuͤhle, und am wenigſten ſind wir vermoͤgend, uns enthuſiaſtiſche Momente wie¬ der zu vergegenwaͤrtigen; man wird unvorbe¬ reitet davon uͤberfallen und uͤberlaͤßt ſich ihnen unbewußt. Andere die uns in ſolchen Augen¬ blicken beobachten, haben deshalb davon eine klarere und reinere Anſicht als wir ſelbſt.
III. 28
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von mir zu empfangen. Ich war meiner bis¬
herigen Thorheiten und Frechheiten muͤde,
hinter denen ich doch eigentlich nur den Un¬
muth verbarg, daß fuͤr mein Herz, fuͤr mein
Gemuͤth auf dieſer Reiſe ſo wenig geſorgt
werde; es brach daher mein Inneres mit
Gewalt hervor, und dieß mag die Urſache
ſeyn, warum ich mich der einzelnen Vor¬
gaͤnge wenig erinnere. Das was man ge¬
dacht, die Bilder die man geſehn, laſſen
ſich in dem Verſtand und in der Einbildungs¬
kraft wieder hervorrufen; aber das Herz iſt
nicht ſo gefaͤllig, es wiederholt uns nicht die
ſchoͤnen Gefuͤhle, und am wenigſten ſind wir
vermoͤgend, uns enthuſiaſtiſche Momente wie¬
der zu vergegenwaͤrtigen; man wird unvorbe¬
reitet davon uͤberfallen und uͤberlaͤßt ſich ihnen
unbewußt. Andere die uns in ſolchen Augen¬
blicken beobachten, haben deshalb davon eine
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/441>, abgerufen am 24.11.2024.
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