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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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denen Feinden jener Lehre von der Bedeutsam¬
keit der Gestalten unwiderruflich stempeln mu߬
te. Sie wendeten gewöhnlich einen hinrei¬
chenden Menschenverstand, ja sonstige Gaben
und Talente, leidenschaftlich miswollend und
kleinlich zweifelnd an, um eine Lehre zu ent¬
kräften, die für ihre Persönlichkeit beleidigend
schien: denn es fand sich nicht leicht Jemand
so großdenkend wie Socrates, der gerade sei¬
ne faunische Hülle zu Gunsten einer erworbe¬
nen Sittlichkeit gedeutet hätte. Die Härte,
die Verstockung solcher Gegner war ihm fürch¬
terlich, sein Gegenstreben nicht ohne Leiden¬
schaft, so wie das Schmelzfeuer die wider¬
strebenden Erze als lästig und feindselig an¬
fauchen muß.

Unter solchen Umständen war an ein ver¬
trauliches Gespräch, an ein solches das Be¬
zug auf uns selbst gehabt hätte, nicht zu den¬
ken, ob ich mich gleich durch Beobachtung
der Art, wie er die Menschen behandelte,

denen Feinden jener Lehre von der Bedeutſam¬
keit der Geſtalten unwiderruflich ſtempeln mu߬
te. Sie wendeten gewoͤhnlich einen hinrei¬
chenden Menſchenverſtand, ja ſonſtige Gaben
und Talente, leidenſchaftlich miswollend und
kleinlich zweifelnd an, um eine Lehre zu ent¬
kraͤften, die fuͤr ihre Perſoͤnlichkeit beleidigend
ſchien: denn es fand ſich nicht leicht Jemand
ſo großdenkend wie Socrates, der gerade ſei¬
ne fauniſche Huͤlle zu Gunſten einer erworbe¬
nen Sittlichkeit gedeutet haͤtte. Die Haͤrte,
die Verſtockung ſolcher Gegner war ihm fuͤrch¬
terlich, ſein Gegenſtreben nicht ohne Leiden¬
ſchaft, ſo wie das Schmelzfeuer die wider¬
ſtrebenden Erze als laͤſtig und feindſelig an¬
fauchen muß.

Unter ſolchen Umſtaͤnden war an ein ver¬
trauliches Geſpraͤch, an ein ſolches das Be¬
zug auf uns ſelbſt gehabt haͤtte, nicht zu den¬
ken, ob ich mich gleich durch Beobachtung
der Art, wie er die Menſchen behandelte,

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[406/0414] denen Feinden jener Lehre von der Bedeutſam¬ keit der Geſtalten unwiderruflich ſtempeln mu߬ te. Sie wendeten gewoͤhnlich einen hinrei¬ chenden Menſchenverſtand, ja ſonſtige Gaben und Talente, leidenſchaftlich miswollend und kleinlich zweifelnd an, um eine Lehre zu ent¬ kraͤften, die fuͤr ihre Perſoͤnlichkeit beleidigend ſchien: denn es fand ſich nicht leicht Jemand ſo großdenkend wie Socrates, der gerade ſei¬ ne fauniſche Huͤlle zu Gunſten einer erworbe¬ nen Sittlichkeit gedeutet haͤtte. Die Haͤrte, die Verſtockung ſolcher Gegner war ihm fuͤrch¬ terlich, ſein Gegenſtreben nicht ohne Leiden¬ ſchaft, ſo wie das Schmelzfeuer die wider¬ ſtrebenden Erze als laͤſtig und feindſelig an¬ fauchen muß. Unter ſolchen Umſtaͤnden war an ein ver¬ trauliches Geſpraͤch, an ein ſolches das Be¬ zug auf uns ſelbſt gehabt haͤtte, nicht zu den¬ ken, ob ich mich gleich durch Beobachtung der Art, wie er die Menſchen behandelte,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/414>, abgerufen am 27.11.2024.