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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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hier genugsame Nahrung und Hülfsmittel
fand.

Aber gar bald ward jener zunft- und gil¬
demäßig langsam bewegte Wirkungskreis dem
lebhaften Naturell zu enge. Gerecht zu seyn
wird dem Jüngling nicht schwer, und ein
reines Gemüth verabscheut die Ungerechtigkeit,
deren es sich selbst noch nicht schuldig gemacht
hat. Die Bedrückungen eines Landvogts la¬
gen offenbar vor den Augen der Bürger,
schwerer waren sie vor Gericht zu bringen.
Lavater gesellt sich einen Freund zu, und bey¬
de bedrohen, ohne sich zu nennen, jenen straf¬
würdigen Mann. Die Sache wird ruchbar,
man sieht sich genöthigt, sie zu untersuchen.
Der Schuldige wird bestraft, aber die Ver¬
anlasser dieser Gerechtigkeit werden getadelt,
wo nicht gescholten. In einem wohleingerich¬
teten Staate soll das Rechte selbst nicht auf
unrechte Weise geschehn.

hier genugſame Nahrung und Huͤlfsmittel
fand.

Aber gar bald ward jener zunft- und gil¬
demaͤßig langſam bewegte Wirkungskreis dem
lebhaften Naturell zu enge. Gerecht zu ſeyn
wird dem Juͤngling nicht ſchwer, und ein
reines Gemuͤth verabſcheut die Ungerechtigkeit,
deren es ſich ſelbſt noch nicht ſchuldig gemacht
hat. Die Bedruͤckungen eines Landvogts la¬
gen offenbar vor den Augen der Buͤrger,
ſchwerer waren ſie vor Gericht zu bringen.
Lavater geſellt ſich einen Freund zu, und bey¬
de bedrohen, ohne ſich zu nennen, jenen ſtraf¬
wuͤrdigen Mann. Die Sache wird ruchbar,
man ſieht ſich genoͤthigt, ſie zu unterſuchen.
Der Schuldige wird beſtraft, aber die Ver¬
anlaſſer dieſer Gerechtigkeit werden getadelt,
wo nicht geſcholten. In einem wohleingerich¬
teten Staate ſoll das Rechte ſelbſt nicht auf
unrechte Weiſe geſchehn.

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[400/0408] hier genugſame Nahrung und Huͤlfsmittel fand. Aber gar bald ward jener zunft- und gil¬ demaͤßig langſam bewegte Wirkungskreis dem lebhaften Naturell zu enge. Gerecht zu ſeyn wird dem Juͤngling nicht ſchwer, und ein reines Gemuͤth verabſcheut die Ungerechtigkeit, deren es ſich ſelbſt noch nicht ſchuldig gemacht hat. Die Bedruͤckungen eines Landvogts la¬ gen offenbar vor den Augen der Buͤrger, ſchwerer waren ſie vor Gericht zu bringen. Lavater geſellt ſich einen Freund zu, und bey¬ de bedrohen, ohne ſich zu nennen, jenen ſtraf¬ wuͤrdigen Mann. Die Sache wird ruchbar, man ſieht ſich genoͤthigt, ſie zu unterſuchen. Der Schuldige wird beſtraft, aber die Ver¬ anlaſſer dieſer Gerechtigkeit werden getadelt, wo nicht geſcholten. In einem wohleingerich¬ teten Staate ſoll das Rechte ſelbſt nicht auf unrechte Weiſe geſchehn.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/408>, abgerufen am 24.11.2024.