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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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er fühlte sich vielmehr mit allen seinen Kräf¬
ten zur Thätigkeit, zur Wirksamkeit gedrängt,
so daß ich Niemand gekannt habe, der un¬
unterbrochener handelte als er. Weil nun
aber unser inneres sittliches Wesen in äuße¬
ren Bedingungen verkörpert ist, es sey nun
daß wir einer Familie, einem Stande, einer
Gilde, einer Stadt, oder einem Staate an¬
gehören; so mußte er zugleich, in so fern er
wirken wollte, alle diese Aeußerlichkeiten be¬
rühren und in Bewegung setzen, wodurch denn
freylich mancher Anstoß, manche Verwickelung
entsprang, besonders, da das Gemeinwesen,
als dessen Glied er geboren war, in der ge¬
nausten und bestimmtesten Beschränkung einer
löblichen hergebrachten Freyheit genoß. Schon
der republicanische Knabe gewöhnt sich, über
das öffentliche Wesen zu denken und mitzu¬
sprechen. In der ersten Blüte seiner Tage
sieht sich der Jüngling, als Zunftgenosse, bald
in dem Fall, seine Stimme zu geben und zu
versagen. Will er gerecht und selbständig

er fuͤhlte ſich vielmehr mit allen ſeinen Kraͤf¬
ten zur Thaͤtigkeit, zur Wirkſamkeit gedraͤngt,
ſo daß ich Niemand gekannt habe, der un¬
unterbrochener handelte als er. Weil nun
aber unſer inneres ſittliches Weſen in aͤuße¬
ren Bedingungen verkoͤrpert iſt, es ſey nun
daß wir einer Familie, einem Stande, einer
Gilde, einer Stadt, oder einem Staate an¬
gehoͤren; ſo mußte er zugleich, in ſo fern er
wirken wollte, alle dieſe Aeußerlichkeiten be¬
ruͤhren und in Bewegung ſetzen, wodurch denn
freylich mancher Anſtoß, manche Verwickelung
entſprang, beſonders, da das Gemeinweſen,
als deſſen Glied er geboren war, in der ge¬
nauſten und beſtimmteſten Beſchraͤnkung einer
loͤblichen hergebrachten Freyheit genoß. Schon
der republicaniſche Knabe gewoͤhnt ſich, uͤber
das oͤffentliche Weſen zu denken und mitzu¬
ſprechen. In der erſten Bluͤte ſeiner Tage
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[398/0406] er fuͤhlte ſich vielmehr mit allen ſeinen Kraͤf¬ ten zur Thaͤtigkeit, zur Wirkſamkeit gedraͤngt, ſo daß ich Niemand gekannt habe, der un¬ unterbrochener handelte als er. Weil nun aber unſer inneres ſittliches Weſen in aͤuße¬ ren Bedingungen verkoͤrpert iſt, es ſey nun daß wir einer Familie, einem Stande, einer Gilde, einer Stadt, oder einem Staate an¬ gehoͤren; ſo mußte er zugleich, in ſo fern er wirken wollte, alle dieſe Aeußerlichkeiten be¬ ruͤhren und in Bewegung ſetzen, wodurch denn freylich mancher Anſtoß, manche Verwickelung entſprang, beſonders, da das Gemeinweſen, als deſſen Glied er geboren war, in der ge¬ nauſten und beſtimmteſten Beſchraͤnkung einer loͤblichen hergebrachten Freyheit genoß. Schon der republicaniſche Knabe gewoͤhnt ſich, uͤber das oͤffentliche Weſen zu denken und mitzu¬ ſprechen. In der erſten Bluͤte ſeiner Tage ſieht ſich der Juͤngling, als Zunftgenoſſe, bald in dem Fall, ſeine Stimme zu geben und zu verſagen. Will er gerecht und ſelbſtaͤndig

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/406>, abgerufen am 27.11.2024.