Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Jenes Beharren eines tüchtigen Charac¬
ters aber, wird um desto würdiger, wenn
es sich durch das Welt- und Geschäftsleben
durcherhält, und wenn eine Behandlungsart
des Vorkömmlichen, welche manchem schroff,
ja gewaltsam scheinen möchte, zur rechten Zeit
angewandt, am sichersten zum Ziele führt.
Dieß geschah bey ihm, da er ohne Biegsam¬
keit (welches ohnedem die Tugend der gebo¬
renen Reichsbürger niemals gewesen,) aber
desto tüchtiger, fester und redlicher, sich zu
bedeutenden Posten erhob, sich darauf zu erhal¬
ten wußte, und mit Beyfall und Gnade sei¬
ner höchsten Gönner fortwirkte, dabey aber
niemals weder seine alten Freunde, noch den
Weg den er zurückgelegt, vergaß. Ja er suchte
die vollkommenste Stetigkeit des Andenkens,
durch alle Grade der Abwesenheit und Tren¬
nung, hartnäckig zu erhalten; wie es denn
gewiß angemerkt zu werden verdient, daß er,
als ein anderer Willigis, in seinem durch
Ordenszeichen geschmückten Wappen, Merk¬

Jenes Beharren eines tuͤchtigen Charac¬
ters aber, wird um deſto wuͤrdiger, wenn
es ſich durch das Welt- und Geſchaͤftsleben
durcherhaͤlt, und wenn eine Behandlungsart
des Vorkoͤmmlichen, welche manchem ſchroff,
ja gewaltſam ſcheinen moͤchte, zur rechten Zeit
angewandt, am ſicherſten zum Ziele fuͤhrt.
Dieß geſchah bey ihm, da er ohne Biegſam¬
keit (welches ohnedem die Tugend der gebo¬
renen Reichsbuͤrger niemals geweſen,) aber
deſto tuͤchtiger, feſter und redlicher, ſich zu
bedeutenden Poſten erhob, ſich darauf zu erhal¬
ten wußte, und mit Beyfall und Gnade ſei¬
ner hoͤchſten Goͤnner fortwirkte, dabey aber
niemals weder ſeine alten Freunde, noch den
Weg den er zuruͤckgelegt, vergaß. Ja er ſuchte
die vollkommenſte Stetigkeit des Andenkens,
durch alle Grade der Abweſenheit und Tren¬
nung, hartnaͤckig zu erhalten; wie es denn
gewiß angemerkt zu werden verdient, daß er,
als ein anderer Willigis, in ſeinem durch
Ordenszeichen geſchmuͤckten Wappen, Merk¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0399" n="391"/>
        <p>Jenes Beharren eines tu&#x0364;chtigen Charac¬<lb/>
ters aber, wird um de&#x017F;to wu&#x0364;rdiger, wenn<lb/>
es &#x017F;ich durch das Welt- und Ge&#x017F;cha&#x0364;ftsleben<lb/>
durcherha&#x0364;lt, und wenn eine Behandlungsart<lb/>
des Vorko&#x0364;mmlichen, welche manchem &#x017F;chroff,<lb/>
ja gewalt&#x017F;am &#x017F;cheinen mo&#x0364;chte, zur rechten Zeit<lb/>
angewandt, am &#x017F;icher&#x017F;ten zum Ziele fu&#x0364;hrt.<lb/>
Dieß ge&#x017F;chah bey ihm, da er ohne Bieg&#x017F;am¬<lb/>
keit (welches ohnedem die Tugend der gebo¬<lb/>
renen Reichsbu&#x0364;rger niemals gewe&#x017F;en,) aber<lb/>
de&#x017F;to tu&#x0364;chtiger, fe&#x017F;ter und redlicher, &#x017F;ich zu<lb/>
bedeutenden Po&#x017F;ten erhob, &#x017F;ich darauf zu erhal¬<lb/>
ten wußte, und mit Beyfall und Gnade &#x017F;ei¬<lb/>
ner ho&#x0364;ch&#x017F;ten Go&#x0364;nner fortwirkte, dabey aber<lb/>
niemals weder &#x017F;eine alten Freunde, noch den<lb/>
Weg den er zuru&#x0364;ckgelegt, vergaß. Ja er &#x017F;uchte<lb/>
die vollkommen&#x017F;te Stetigkeit des Andenkens,<lb/>
durch alle Grade der Abwe&#x017F;enheit und Tren¬<lb/>
nung, hartna&#x0364;ckig zu erhalten; wie es denn<lb/>
gewiß angemerkt zu werden verdient, daß er,<lb/>
als ein anderer <hi rendition="#g">Willigis</hi>, in &#x017F;einem durch<lb/>
Ordenszeichen ge&#x017F;chmu&#x0364;ckten Wappen, Merk¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[391/0399] Jenes Beharren eines tuͤchtigen Charac¬ ters aber, wird um deſto wuͤrdiger, wenn es ſich durch das Welt- und Geſchaͤftsleben durcherhaͤlt, und wenn eine Behandlungsart des Vorkoͤmmlichen, welche manchem ſchroff, ja gewaltſam ſcheinen moͤchte, zur rechten Zeit angewandt, am ſicherſten zum Ziele fuͤhrt. Dieß geſchah bey ihm, da er ohne Biegſam¬ keit (welches ohnedem die Tugend der gebo¬ renen Reichsbuͤrger niemals geweſen,) aber deſto tuͤchtiger, feſter und redlicher, ſich zu bedeutenden Poſten erhob, ſich darauf zu erhal¬ ten wußte, und mit Beyfall und Gnade ſei¬ ner hoͤchſten Goͤnner fortwirkte, dabey aber niemals weder ſeine alten Freunde, noch den Weg den er zuruͤckgelegt, vergaß. Ja er ſuchte die vollkommenſte Stetigkeit des Andenkens, durch alle Grade der Abweſenheit und Tren¬ nung, hartnaͤckig zu erhalten; wie es denn gewiß angemerkt zu werden verdient, daß er, als ein anderer Willigis, in ſeinem durch Ordenszeichen geſchmuͤckten Wappen, Merk¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/399
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/399>, abgerufen am 24.11.2024.