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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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vorzüglich seinen Blick. Als Gegenstände sei¬
ner ernsten und scherzhaften Betrachtungen
finden wir die Veränderung der Sitten und
Gewohnheiten, der Kleidungen, der Diät,
des häuslichen Lebens, der Erziehung. Man
müßte eben alles was in der bürgerlichen und
sittlichen Welt vorgeht, rubriciren, wenn man
die Gegenstände erschöpfen wollte, die er be¬
handelt. Und diese Behandlung ist bewun¬
dernswürdig. Ein vollkommener Geschäfts¬
mann spricht zum Volke in Wochenblättern,
um dasjenige, was eine einsichtige wohlwollen¬
de Regierung sich vornimmt oder ausführt, ei¬
nem Jeden von der rechten Seite faßlich zu
machen; keineswegs aber lehrhaft, sondern in
den mannigfaltigsten Formen, die man poe¬
tisch nennen könnte, und die gewiß in dem
besten Sinn für rhetorisch gelten müssen. Im¬
mer ist er über seinen Gegenstand erhaben,
und weiß uns eine heitere Ansicht des Ern¬
stesten zu geben; bald hinter dieser bald hin¬
ter jener Maske halb versteckt, bald in eig¬

vorzuͤglich ſeinen Blick. Als Gegenſtaͤnde ſei¬
ner ernſten und ſcherzhaften Betrachtungen
finden wir die Veraͤnderung der Sitten und
Gewohnheiten, der Kleidungen, der Diaͤt,
des haͤuslichen Lebens, der Erziehung. Man
muͤßte eben alles was in der buͤrgerlichen und
ſittlichen Welt vorgeht, rubriciren, wenn man
die Gegenſtaͤnde erſchoͤpfen wollte, die er be¬
handelt. Und dieſe Behandlung iſt bewun¬
dernswuͤrdig. Ein vollkommener Geſchaͤfts¬
mann ſpricht zum Volke in Wochenblaͤttern,
um dasjenige, was eine einſichtige wohlwollen¬
de Regierung ſich vornimmt oder ausfuͤhrt, ei¬
nem Jeden von der rechten Seite faßlich zu
machen; keineswegs aber lehrhaft, ſondern in
den mannigfaltigſten Formen, die man poe¬
tiſch nennen koͤnnte, und die gewiß in dem
beſten Sinn fuͤr rhetoriſch gelten muͤſſen. Im¬
mer iſt er uͤber ſeinen Gegenſtand erhaben,
und weiß uns eine heitere Anſicht des Ern¬
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[368/0376] vorzuͤglich ſeinen Blick. Als Gegenſtaͤnde ſei¬ ner ernſten und ſcherzhaften Betrachtungen finden wir die Veraͤnderung der Sitten und Gewohnheiten, der Kleidungen, der Diaͤt, des haͤuslichen Lebens, der Erziehung. Man muͤßte eben alles was in der buͤrgerlichen und ſittlichen Welt vorgeht, rubriciren, wenn man die Gegenſtaͤnde erſchoͤpfen wollte, die er be¬ handelt. Und dieſe Behandlung iſt bewun¬ dernswuͤrdig. Ein vollkommener Geſchaͤfts¬ mann ſpricht zum Volke in Wochenblaͤttern, um dasjenige, was eine einſichtige wohlwollen¬ de Regierung ſich vornimmt oder ausfuͤhrt, ei¬ nem Jeden von der rechten Seite faßlich zu machen; keineswegs aber lehrhaft, ſondern in den mannigfaltigſten Formen, die man poe¬ tiſch nennen koͤnnte, und die gewiß in dem beſten Sinn fuͤr rhetoriſch gelten muͤſſen. Im¬ mer iſt er uͤber ſeinen Gegenſtand erhaben, und weiß uns eine heitere Anſicht des Ern¬ ſteſten zu geben; bald hinter dieſer bald hin¬ ter jener Maske halb verſteckt, bald in eig¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/376>, abgerufen am 24.11.2024.