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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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gewählt hatte. Anstatt sich darin behaglich
zu fühlen, oder zu irgend einer Veränderung
Anlaß zu geben, erging sie sich in Klagen, so
daß man wirklich denken mußte, ihre Tochter
sey unglücklich, ob man gleich, da ihr nichts
abging, und ihr Gemahl ihr nichts verwehr¬
te, nicht wohl einsah, worin das Unglück
eigentlich bestünde. Ich war indessen in dem
Hause gut aufgenommen und kam mit dem
ganzen Cirkel in Berührung, der aus Per¬
sonen bestand, die theils zur Heirat beyge¬
tragen, theils derselben einen glücklichen Er¬
folg wünschten. Der Dechant von St. Leon¬
hard Dumeix faßte Vertrauen ja Freund¬
schaft zu mir. Er war der erste catholische
Geistliche, mit dem ich in nähere Berührung
trat, und der, weil er ein sehr hellsehender
Mann war, mir über den Glauben, die
Gebräuche, die äußern und innern Verhält¬
nisse der ältesten Kirche schöne und hinrei¬
chende Aufschlüsse gab. Der Gestalt einer
wohlgebildeten obgleich nicht jungen Frau, mit

gewaͤhlt hatte. Anſtatt ſich darin behaglich
zu fuͤhlen, oder zu irgend einer Veraͤnderung
Anlaß zu geben, erging ſie ſich in Klagen, ſo
daß man wirklich denken mußte, ihre Tochter
ſey ungluͤcklich, ob man gleich, da ihr nichts
abging, und ihr Gemahl ihr nichts verwehr¬
te, nicht wohl einſah, worin das Ungluͤck
eigentlich beſtuͤnde. Ich war indeſſen in dem
Hauſe gut aufgenommen und kam mit dem
ganzen Cirkel in Beruͤhrung, der aus Per¬
ſonen beſtand, die theils zur Heirat beyge¬
tragen, theils derſelben einen gluͤcklichen Er¬
folg wuͤnſchten. Der Dechant von St. Leon¬
hard Dumeix faßte Vertrauen ja Freund¬
ſchaft zu mir. Er war der erſte catholiſche
Geiſtliche, mit dem ich in naͤhere Beruͤhrung
trat, und der, weil er ein ſehr hellſehender
Mann war, mir uͤber den Glauben, die
Gebraͤuche, die aͤußern und innern Verhaͤlt¬
niſſe der aͤlteſten Kirche ſchoͤne und hinrei¬
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[340/0348] gewaͤhlt hatte. Anſtatt ſich darin behaglich zu fuͤhlen, oder zu irgend einer Veraͤnderung Anlaß zu geben, erging ſie ſich in Klagen, ſo daß man wirklich denken mußte, ihre Tochter ſey ungluͤcklich, ob man gleich, da ihr nichts abging, und ihr Gemahl ihr nichts verwehr¬ te, nicht wohl einſah, worin das Ungluͤck eigentlich beſtuͤnde. Ich war indeſſen in dem Hauſe gut aufgenommen und kam mit dem ganzen Cirkel in Beruͤhrung, der aus Per¬ ſonen beſtand, die theils zur Heirat beyge¬ tragen, theils derſelben einen gluͤcklichen Er¬ folg wuͤnſchten. Der Dechant von St. Leon¬ hard Dumeix faßte Vertrauen ja Freund¬ ſchaft zu mir. Er war der erſte catholiſche Geiſtliche, mit dem ich in naͤhere Beruͤhrung trat, und der, weil er ein ſehr hellſehender Mann war, mir uͤber den Glauben, die Gebraͤuche, die aͤußern und innern Verhaͤlt¬ niſſe der aͤlteſten Kirche ſchoͤne und hinrei¬ chende Aufſchluͤſſe gab. Der Geſtalt einer wohlgebildeten obgleich nicht jungen Frau, mit

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/348>, abgerufen am 27.11.2024.