Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

ten. Ich that es, indem ich einen tüchti¬
gen Mantelsack auf die Diligence packte, und
in wenig Stunden befand ich mich in ihrer Nä¬
he. Ich traf eine große und lustige Gesellschaft,
nahm den Vater bey Seite, überreichte ihm
den Riß, über den er große Freude bezeigte;
ich besprach mit ihm, was ich bey der Aus¬
arbeitung gedacht hatte; er war außer sich
vor Vergnügen, besonders lobte er die Rein¬
lichkeit der Zeichnung: die hatte ich von Ju¬
gend auf geübt und mir dießmal auf dem
schönsten Papier noch besondere Mühe gege¬
ben. Allein dieses Vergnügen wurde unserm
guten Wirthe gar bald verkümmert, da er,
gegen meinen Rath, in der Freude seines
Herzens, den Riß der Gesellschaft vorlegte.
Weit entfernt, daran die erwünschte Theil¬
nahme zu äußern, achteten die einen diese
köstliche Arbeit gar nicht; andere, die etwas
von der Sache zu verstehn glaubten, mach¬
ten es noch schlimmer; sie tadelten den Ent¬
wurf als nicht kunstgerecht, und als der

ten. Ich that es, indem ich einen tuͤchti¬
gen Mantelſack auf die Diligence packte, und
in wenig Stunden befand ich mich in ihrer Naͤ¬
he. Ich traf eine große und luſtige Geſellſchaft,
nahm den Vater bey Seite, uͤberreichte ihm
den Riß, uͤber den er große Freude bezeigte;
ich beſprach mit ihm, was ich bey der Aus¬
arbeitung gedacht hatte; er war außer ſich
vor Vergnuͤgen, beſonders lobte er die Rein¬
lichkeit der Zeichnung: die hatte ich von Ju¬
gend auf geuͤbt und mir dießmal auf dem
ſchoͤnſten Papier noch beſondere Muͤhe gege¬
ben. Allein dieſes Vergnuͤgen wurde unſerm
guten Wirthe gar bald verkuͤmmert, da er,
gegen meinen Rath, in der Freude ſeines
Herzens, den Riß der Geſellſchaft vorlegte.
Weit entfernt, daran die erwuͤnſchte Theil¬
nahme zu aͤußern, achteten die einen dieſe
koͤſtliche Arbeit gar nicht; andere, die etwas
von der Sache zu verſtehn glaubten, mach¬
ten es noch ſchlimmer; ſie tadelten den Ent¬
wurf als nicht kunſtgerecht, und als der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="26"/>
ten. Ich that es, indem ich einen tu&#x0364;chti¬<lb/>
gen Mantel&#x017F;ack auf die Diligence packte, und<lb/>
in wenig Stunden befand ich mich in ihrer Na&#x0364;¬<lb/>
he. Ich traf eine große und lu&#x017F;tige Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,<lb/>
nahm den Vater bey Seite, u&#x0364;berreichte ihm<lb/>
den Riß, u&#x0364;ber den er große Freude bezeigte;<lb/>
ich be&#x017F;prach mit ihm, was ich bey der Aus¬<lb/>
arbeitung gedacht hatte; er war außer &#x017F;ich<lb/>
vor Vergnu&#x0364;gen, be&#x017F;onders lobte er die Rein¬<lb/>
lichkeit der Zeichnung: die hatte ich von Ju¬<lb/>
gend auf geu&#x0364;bt und mir dießmal auf dem<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Papier noch be&#x017F;ondere Mu&#x0364;he gege¬<lb/>
ben. Allein die&#x017F;es Vergnu&#x0364;gen wurde un&#x017F;erm<lb/>
guten Wirthe gar bald verku&#x0364;mmert, da er,<lb/>
gegen meinen Rath, in der Freude &#x017F;eines<lb/>
Herzens, den Riß der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft vorlegte.<lb/>
Weit entfernt, daran die erwu&#x0364;n&#x017F;chte Theil¬<lb/>
nahme zu a&#x0364;ußern, achteten die einen die&#x017F;e<lb/>
ko&#x0364;&#x017F;tliche Arbeit gar nicht; andere, die etwas<lb/>
von der Sache zu ver&#x017F;tehn glaubten, mach¬<lb/>
ten es noch &#x017F;chlimmer; &#x017F;ie tadelten den Ent¬<lb/>
wurf als nicht kun&#x017F;tgerecht, und als der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0034] ten. Ich that es, indem ich einen tuͤchti¬ gen Mantelſack auf die Diligence packte, und in wenig Stunden befand ich mich in ihrer Naͤ¬ he. Ich traf eine große und luſtige Geſellſchaft, nahm den Vater bey Seite, uͤberreichte ihm den Riß, uͤber den er große Freude bezeigte; ich beſprach mit ihm, was ich bey der Aus¬ arbeitung gedacht hatte; er war außer ſich vor Vergnuͤgen, beſonders lobte er die Rein¬ lichkeit der Zeichnung: die hatte ich von Ju¬ gend auf geuͤbt und mir dießmal auf dem ſchoͤnſten Papier noch beſondere Muͤhe gege¬ ben. Allein dieſes Vergnuͤgen wurde unſerm guten Wirthe gar bald verkuͤmmert, da er, gegen meinen Rath, in der Freude ſeines Herzens, den Riß der Geſellſchaft vorlegte. Weit entfernt, daran die erwuͤnſchte Theil¬ nahme zu aͤußern, achteten die einen dieſe koͤſtliche Arbeit gar nicht; andere, die etwas von der Sache zu verſtehn glaubten, mach¬ ten es noch ſchlimmer; ſie tadelten den Ent¬ wurf als nicht kunſtgerecht, und als der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/34
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/34>, abgerufen am 18.12.2024.