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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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täglich sich aus- und anzuziehn. Ich kannte
einen wackeren Gärtner, den Aufseher einer
großen Parkanlage, der einmal mit Verdruß
ausrief: soll ich denn immer diese Regenwol¬
ken von Abend gegen Morgen ziehen sehn!
Man erzählt von einem unserer trefflichsten
Männer, er habe mit Verdruß das Frühjahr
wieder aufgrünen gesehn, und gewünscht, es
möchte zur Abwechselung einmal roth erschei¬
nen. Dieses sind eigentlich die Symptome des
Lebensüberdrusses, der nicht selten in den
Selbstmord ausläuft, und bey denkenden in
sich gekehrten Menschen häufiger war als
man glauben kann.

Nichts aber veranlaßt mehr diesen Ueber¬
druß, als die Wiederkehr der Liebe. Die er¬
ste Liebe, sagt man mit Recht, sey die ein¬
zige: denn in der zweyten und durch die
zweyte geht schon der höchste Sinn der Liebe
verloren. Der Begriff des Ewigen und Un¬
endlichen, der sie eigentlich hebt und trägt,

taͤglich ſich aus- und anzuziehn. Ich kannte
einen wackeren Gaͤrtner, den Aufſeher einer
großen Parkanlage, der einmal mit Verdruß
ausrief: ſoll ich denn immer dieſe Regenwol¬
ken von Abend gegen Morgen ziehen ſehn!
Man erzaͤhlt von einem unſerer trefflichſten
Maͤnner, er habe mit Verdruß das Fruͤhjahr
wieder aufgruͤnen geſehn, und gewuͤnſcht, es
moͤchte zur Abwechſelung einmal roth erſchei¬
nen. Dieſes ſind eigentlich die Symptome des
Lebensuͤberdruſſes, der nicht ſelten in den
Selbſtmord auslaͤuft, und bey denkenden in
ſich gekehrten Menſchen haͤufiger war als
man glauben kann.

Nichts aber veranlaßt mehr dieſen Ueber¬
druß, als die Wiederkehr der Liebe. Die er¬
ſte Liebe, ſagt man mit Recht, ſey die ein¬
zige: denn in der zweyten und durch die
zweyte geht ſchon der hoͤchſte Sinn der Liebe
verloren. Der Begriff des Ewigen und Un¬
endlichen, der ſie eigentlich hebt und traͤgt,

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[322/0330] taͤglich ſich aus- und anzuziehn. Ich kannte einen wackeren Gaͤrtner, den Aufſeher einer großen Parkanlage, der einmal mit Verdruß ausrief: ſoll ich denn immer dieſe Regenwol¬ ken von Abend gegen Morgen ziehen ſehn! Man erzaͤhlt von einem unſerer trefflichſten Maͤnner, er habe mit Verdruß das Fruͤhjahr wieder aufgruͤnen geſehn, und gewuͤnſcht, es moͤchte zur Abwechſelung einmal roth erſchei¬ nen. Dieſes ſind eigentlich die Symptome des Lebensuͤberdruſſes, der nicht ſelten in den Selbſtmord auslaͤuft, und bey denkenden in ſich gekehrten Menſchen haͤufiger war als man glauben kann. Nichts aber veranlaßt mehr dieſen Ueber¬ druß, als die Wiederkehr der Liebe. Die er¬ ſte Liebe, ſagt man mit Recht, ſey die ein¬ zige: denn in der zweyten und durch die zweyte geht ſchon der hoͤchſte Sinn der Liebe verloren. Der Begriff des Ewigen und Un¬ endlichen, der ſie eigentlich hebt und traͤgt,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/330>, abgerufen am 27.11.2024.