denn indem die beyden Frauen sich einander näherten, hatte Merk mit Herrn von Laroche als Welt- und Geschäftskenner, als unterrich¬ tet und gereist, nähere Berührung. Der Knabe gesellte sich zu den Knaben, und die Töchter fielen mir zu, von denen die älteste mich gar bald besonders anzog. Es ist eine sehr angenehme Empfindung, wenn sich eine neue Leidenschaft in uns zu regen anfängt, ehe die alte noch ganz verklungen ist. So sieht man bey untergehender Sonne gern auf der entgegengesetzten Seite den Mond aufgehn und erfreut sich an dem Doppelglanze der beyden Himmelslichter.
Nun fehlte es nicht an reicher Unterhal¬ tung in und außer dem Hause. Man durch¬ strich die Gegend; Ehrenbreitstein diesseits, die Carthause jenseits wurden bestiegen. Die Stadt, die Moselbrücke, die Fähre die uns über den Rhein brachte, alles gewährte das mannichfachste Vergnügen. Noch nicht erbaut
denn indem die beyden Frauen ſich einander naͤherten, hatte Merk mit Herrn von Laroche als Welt- und Geſchaͤftskenner, als unterrich¬ tet und gereiſt, naͤhere Beruͤhrung. Der Knabe geſellte ſich zu den Knaben, und die Toͤchter fielen mir zu, von denen die aͤlteſte mich gar bald beſonders anzog. Es iſt eine ſehr angenehme Empfindung, wenn ſich eine neue Leidenſchaft in uns zu regen anfaͤngt, ehe die alte noch ganz verklungen iſt. So ſieht man bey untergehender Sonne gern auf der entgegengeſetzten Seite den Mond aufgehn und erfreut ſich an dem Doppelglanze der beyden Himmelslichter.
Nun fehlte es nicht an reicher Unterhal¬ tung in und außer dem Hauſe. Man durch¬ ſtrich die Gegend; Ehrenbreitſtein dieſſeits, die Carthauſe jenſeits wurden beſtiegen. Die Stadt, die Moſelbruͤcke, die Faͤhre die uns uͤber den Rhein brachte, alles gewaͤhrte das mannichfachſte Vergnuͤgen. Noch nicht erbaut
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0289"n="281"/>
denn indem die beyden Frauen ſich einander<lb/>
naͤherten, hatte Merk mit Herrn von Laroche<lb/>
als Welt- und Geſchaͤftskenner, als unterrich¬<lb/>
tet und gereiſt, naͤhere Beruͤhrung. Der<lb/>
Knabe geſellte ſich zu den Knaben, und die<lb/>
Toͤchter fielen mir zu, von denen die aͤlteſte<lb/>
mich gar bald beſonders anzog. Es iſt eine<lb/>ſehr angenehme Empfindung, wenn ſich eine<lb/>
neue Leidenſchaft in uns zu regen anfaͤngt,<lb/>
ehe die alte noch ganz verklungen iſt. So<lb/>ſieht man bey untergehender Sonne gern auf<lb/>
der entgegengeſetzten Seite den Mond aufgehn<lb/>
und erfreut ſich an dem Doppelglanze der<lb/>
beyden Himmelslichter.</p><lb/><p>Nun fehlte es nicht an reicher Unterhal¬<lb/>
tung in und außer dem Hauſe. Man durch¬<lb/>ſtrich die Gegend; Ehrenbreitſtein dieſſeits,<lb/>
die Carthauſe jenſeits wurden beſtiegen. Die<lb/>
Stadt, die Moſelbruͤcke, die Faͤhre die uns<lb/>
uͤber den Rhein brachte, alles gewaͤhrte das<lb/>
mannichfachſte Vergnuͤgen. Noch nicht erbaut<lb/></p></div></body></text></TEI>
[281/0289]
denn indem die beyden Frauen ſich einander
naͤherten, hatte Merk mit Herrn von Laroche
als Welt- und Geſchaͤftskenner, als unterrich¬
tet und gereiſt, naͤhere Beruͤhrung. Der
Knabe geſellte ſich zu den Knaben, und die
Toͤchter fielen mir zu, von denen die aͤlteſte
mich gar bald beſonders anzog. Es iſt eine
ſehr angenehme Empfindung, wenn ſich eine
neue Leidenſchaft in uns zu regen anfaͤngt,
ehe die alte noch ganz verklungen iſt. So
ſieht man bey untergehender Sonne gern auf
der entgegengeſetzten Seite den Mond aufgehn
und erfreut ſich an dem Doppelglanze der
beyden Himmelslichter.
Nun fehlte es nicht an reicher Unterhal¬
tung in und außer dem Hauſe. Man durch¬
ſtrich die Gegend; Ehrenbreitſtein dieſſeits,
die Carthauſe jenſeits wurden beſtiegen. Die
Stadt, die Moſelbruͤcke, die Faͤhre die uns
uͤber den Rhein brachte, alles gewaͤhrte das
mannichfachſte Vergnuͤgen. Noch nicht erbaut
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/289>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.