Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

mann, der sich, obgleich Katholik, schon in
Schriften über das Mönch- und Pfaffthum
lustig gemacht hatte, glaubte auch hier eine
Verbrüderung zu sehen, wo mancher Ein¬
zelne ohne Werth, sich durch Verbindung
mit bedeutenden Menschen aufstutze, wobey
am Ende wohl er, aber nicht jene gefördert
würden. Meistens entzog sich dieser wackere
Mann der Gesellschaft, wenn die Chatoullen
eröffnet wurden. Hörte er auch wohl einmal
einige Briefe mit an, so konnte man eine
schalkhafte Bemerkung erwarten. Unter an¬
dern sagte er einstens, er überzeuge sich bey
dieser Correspondenz noch mehr von dem was
er immer geglaubt habe, daß Frauenzimmer
alles Siegellack sparen könnten, sie sollten nur
ihre Briefe mit Stecknadeln zustecken und
dürften versichert seyn, daß sie uneröffnett an
Ort und Stelle kämen. Auf gleiche Weise
pflegte er mit allem was außer dem Lebens-
und Thätigkeitskreise lag, zu scherzen und folg¬
te hierin der Sinnesart seines Herrn und

mann, der ſich, obgleich Katholik, ſchon in
Schriften uͤber das Moͤnch- und Pfaffthum
luſtig gemacht hatte, glaubte auch hier eine
Verbruͤderung zu ſehen, wo mancher Ein¬
zelne ohne Werth, ſich durch Verbindung
mit bedeutenden Menſchen aufſtutze, wobey
am Ende wohl er, aber nicht jene gefoͤrdert
wuͤrden. Meiſtens entzog ſich dieſer wackere
Mann der Geſellſchaft, wenn die Chatoullen
eroͤffnet wurden. Hoͤrte er auch wohl einmal
einige Briefe mit an, ſo konnte man eine
ſchalkhafte Bemerkung erwarten. Unter an¬
dern ſagte er einſtens, er uͤberzeuge ſich bey
dieſer Correſpondenz noch mehr von dem was
er immer geglaubt habe, daß Frauenzimmer
alles Siegellack ſparen koͤnnten, ſie ſollten nur
ihre Briefe mit Stecknadeln zuſtecken und
duͤrften verſichert ſeyn, daß ſie uneroͤffnett an
Ort und Stelle kaͤmen. Auf gleiche Weiſe
pflegte er mit allem was außer dem Lebens-
und Thaͤtigkeitskreiſe lag, zu ſcherzen und folg¬
te hierin der Sinnesart ſeines Herrn und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0282" n="274"/>
mann, der &#x017F;ich, obgleich Katholik, &#x017F;chon in<lb/>
Schriften u&#x0364;ber das Mo&#x0364;nch- und Pfaffthum<lb/>
lu&#x017F;tig gemacht hatte, glaubte auch hier eine<lb/>
Verbru&#x0364;derung zu &#x017F;ehen, wo mancher Ein¬<lb/>
zelne ohne Werth, &#x017F;ich durch Verbindung<lb/>
mit bedeutenden Men&#x017F;chen auf&#x017F;tutze, wobey<lb/>
am Ende wohl er, aber nicht jene gefo&#x0364;rdert<lb/>
wu&#x0364;rden. Mei&#x017F;tens entzog &#x017F;ich die&#x017F;er wackere<lb/>
Mann der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, wenn die Chatoullen<lb/>
ero&#x0364;ffnet wurden. Ho&#x0364;rte er auch wohl einmal<lb/>
einige Briefe mit an, &#x017F;o konnte man eine<lb/>
&#x017F;chalkhafte Bemerkung erwarten. Unter an¬<lb/>
dern &#x017F;agte er ein&#x017F;tens, er u&#x0364;berzeuge &#x017F;ich bey<lb/>
die&#x017F;er Corre&#x017F;pondenz noch mehr von dem was<lb/>
er immer geglaubt habe, daß Frauenzimmer<lb/>
alles Siegellack &#x017F;paren ko&#x0364;nnten, &#x017F;ie &#x017F;ollten nur<lb/>
ihre Briefe mit Stecknadeln zu&#x017F;tecken und<lb/>
du&#x0364;rften ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie unero&#x0364;ffnett an<lb/>
Ort und Stelle ka&#x0364;men. Auf gleiche Wei&#x017F;e<lb/>
pflegte er mit allem was außer dem Lebens-<lb/>
und Tha&#x0364;tigkeitskrei&#x017F;e lag, zu &#x017F;cherzen und folg¬<lb/>
te hierin der Sinnesart &#x017F;eines Herrn und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0282] mann, der ſich, obgleich Katholik, ſchon in Schriften uͤber das Moͤnch- und Pfaffthum luſtig gemacht hatte, glaubte auch hier eine Verbruͤderung zu ſehen, wo mancher Ein¬ zelne ohne Werth, ſich durch Verbindung mit bedeutenden Menſchen aufſtutze, wobey am Ende wohl er, aber nicht jene gefoͤrdert wuͤrden. Meiſtens entzog ſich dieſer wackere Mann der Geſellſchaft, wenn die Chatoullen eroͤffnet wurden. Hoͤrte er auch wohl einmal einige Briefe mit an, ſo konnte man eine ſchalkhafte Bemerkung erwarten. Unter an¬ dern ſagte er einſtens, er uͤberzeuge ſich bey dieſer Correſpondenz noch mehr von dem was er immer geglaubt habe, daß Frauenzimmer alles Siegellack ſparen koͤnnten, ſie ſollten nur ihre Briefe mit Stecknadeln zuſtecken und duͤrften verſichert ſeyn, daß ſie uneroͤffnett an Ort und Stelle kaͤmen. Auf gleiche Weiſe pflegte er mit allem was außer dem Lebens- und Thaͤtigkeitskreiſe lag, zu ſcherzen und folg¬ te hierin der Sinnesart ſeines Herrn und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/282
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/282>, abgerufen am 24.11.2024.