die Herren mir erlauben wollten mitzuspeisen? Schlosser, dem ein gewisser Ernst gar wohl zu Gesicht stand, widersetzte sich, weil sie ihre freundschaftliche Unterhaltung nicht durch einen Dritten wollten gestört wissen. Auf das An¬ dringen des Kellners aber und die Fürsprache Höpfners, der versicherte, daß ich ein leidli¬ cher Mensch sey, wurde ich eingelassen, und betrug mich zu Anfang der Tafel bescheiden und verschämt. Schlosser und Merk thaten sich keinen Zwang an, und ergingen sich über manches so offen, als wenn kein Fremder da¬ bey wäre. Die wichtigsten literarischen An¬ gelegenheiten so wie die bedeutendsten Män¬ ner kamen zur Sprache. Ich erwies mich nun etwas kühner, und ließ mich nicht stö¬ ren, wenn Schlosser mir manchmal ernstlich, Merk spöttisch etwas abgab; doch richtete ich auf Schmidten alle meine Pfeile, die seine mir wohlbekannten Blößen scharf und sicher trafen.
die Herren mir erlauben wollten mitzuſpeiſen? Schloſſer, dem ein gewiſſer Ernſt gar wohl zu Geſicht ſtand, widerſetzte ſich, weil ſie ihre freundſchaftliche Unterhaltung nicht durch einen Dritten wollten geſtoͤrt wiſſen. Auf das An¬ dringen des Kellners aber und die Fuͤrſprache Hoͤpfners, der verſicherte, daß ich ein leidli¬ cher Menſch ſey, wurde ich eingelaſſen, und betrug mich zu Anfang der Tafel beſcheiden und verſchaͤmt. Schloſſer und Merk thaten ſich keinen Zwang an, und ergingen ſich uͤber manches ſo offen, als wenn kein Fremder da¬ bey waͤre. Die wichtigſten literariſchen An¬ gelegenheiten ſo wie die bedeutendſten Maͤn¬ ner kamen zur Sprache. Ich erwies mich nun etwas kuͤhner, und ließ mich nicht ſtoͤ¬ ren, wenn Schloſſer mir manchmal ernſtlich, Merk ſpoͤttiſch etwas abgab; doch richtete ich auf Schmidten alle meine Pfeile, die ſeine mir wohlbekannten Bloͤßen ſcharf und ſicher trafen.
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die Herren mir erlauben wollten mitzuſpeiſen?
Schloſſer, dem ein gewiſſer Ernſt gar wohl
zu Geſicht ſtand, widerſetzte ſich, weil ſie ihre
freundſchaftliche Unterhaltung nicht durch einen
Dritten wollten geſtoͤrt wiſſen. Auf das An¬
dringen des Kellners aber und die Fuͤrſprache
Hoͤpfners, der verſicherte, daß ich ein leidli¬
cher Menſch ſey, wurde ich eingelaſſen, und
betrug mich zu Anfang der Tafel beſcheiden
und verſchaͤmt. Schloſſer und Merk thaten
ſich keinen Zwang an, und ergingen ſich uͤber
manches ſo offen, als wenn kein Fremder da¬
bey waͤre. Die wichtigſten literariſchen An¬
gelegenheiten ſo wie die bedeutendſten Maͤn¬
ner kamen zur Sprache. Ich erwies mich
nun etwas kuͤhner, und ließ mich nicht ſtoͤ¬
ren, wenn Schloſſer mir manchmal ernſtlich,
Merk ſpoͤttiſch etwas abgab; doch richtete ich
auf Schmidten alle meine Pfeile, die ſeine
mir wohlbekannten Bloͤßen ſcharf und ſicher
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/253>, abgerufen am 23.11.2024.
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