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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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jungen Mannes waren mäßig, aber wohlwol¬
lend. Er nahm an den verschiedensten Pro¬
ductionen Theil; besonders liebte er solche
Zeichnungen und Skizzen, in welchen man
einsamen Gegenden ihren stillen Character ab¬
gewonnen hatte. Er theilte bey solchen Ge¬
legenheiten Gesnersche Radirungen mit, und
munterte die Liebhaber auf, darnach zu stu¬
diren. An allem jenen Ritterwesen und Mum¬
menspiel nahm er wenig oder keinen Antheil,
lebte sich und seinen Gesinnungen. Man
sprach von einer entschiedenen Leidenschaft zu
der Gattinn eines Freundes. Oeffentlich sah
man sie nie miteinander. Ueberhaupt wußte
man wenig von ihm zu sagen, außer daß er
sich mit der englischen Literatur beschäftige.
Als der Sohn eines wohlhabenden Man¬
nes brauchte er sich weder ängstlich Geschäften
zu widmen, noch um baldige Anstellung drin¬
gend zu bewerben.

jungen Mannes waren maͤßig, aber wohlwol¬
lend. Er nahm an den verſchiedenſten Pro¬
ductionen Theil; beſonders liebte er ſolche
Zeichnungen und Skizzen, in welchen man
einſamen Gegenden ihren ſtillen Character ab¬
gewonnen hatte. Er theilte bey ſolchen Ge¬
legenheiten Gesnerſche Radirungen mit, und
munterte die Liebhaber auf, darnach zu ſtu¬
diren. An allem jenen Ritterweſen und Mum¬
menſpiel nahm er wenig oder keinen Antheil,
lebte ſich und ſeinen Geſinnungen. Man
ſprach von einer entſchiedenen Leidenſchaft zu
der Gattinn eines Freundes. Oeffentlich ſah
man ſie nie miteinander. Ueberhaupt wußte
man wenig von ihm zu ſagen, außer daß er
ſich mit der engliſchen Literatur beſchaͤftige.
Als der Sohn eines wohlhabenden Man¬
nes brauchte er ſich weder aͤngſtlich Geſchaͤften
zu widmen, noch um baldige Anſtellung drin¬
gend zu bewerben.

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[238/0246] jungen Mannes waren maͤßig, aber wohlwol¬ lend. Er nahm an den verſchiedenſten Pro¬ ductionen Theil; beſonders liebte er ſolche Zeichnungen und Skizzen, in welchen man einſamen Gegenden ihren ſtillen Character ab¬ gewonnen hatte. Er theilte bey ſolchen Ge¬ legenheiten Gesnerſche Radirungen mit, und munterte die Liebhaber auf, darnach zu ſtu¬ diren. An allem jenen Ritterweſen und Mum¬ menſpiel nahm er wenig oder keinen Antheil, lebte ſich und ſeinen Geſinnungen. Man ſprach von einer entſchiedenen Leidenſchaft zu der Gattinn eines Freundes. Oeffentlich ſah man ſie nie miteinander. Ueberhaupt wußte man wenig von ihm zu ſagen, außer daß er ſich mit der engliſchen Literatur beſchaͤftige. Als der Sohn eines wohlhabenden Man¬ nes brauchte er ſich weder aͤngſtlich Geſchaͤften zu widmen, noch um baldige Anſtellung drin¬ gend zu bewerben.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/246>, abgerufen am 23.11.2024.