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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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chen, heute, morgen und übermorgen, ja sein
ganzes Leben."

Nur wenig, aber gerade soviel als nöthig
seyn mag, kann ich nunmehr von einem jun¬
gen Manne sagen, dessen Name in der Fol¬
gezeit nur allzu oft genannt worden. Es war
Jerusalem, der Sohn des frey und zart
denkenden Gottesgelehrten. Auch er war bey
einer Gesandschaft angestellt: seine Gestalt ge¬
fällig, mittlerer Größe, wohlgebaut; ein mehr
rundes als längliches Gesicht; weiche ruhige
Züge und was sonst noch einem hübschen blon¬
den Jüngling zukommen mag; blaue Augen
sodann, mehr anziehend als sprechend zu nen¬
nen. Seine Kleidung war die unter den Nie¬
derdeutschen, in Nachahmung der Engländer,
hergebrachte: blauer Frack, ledergelbe Weste
und Unterkleider, und Stiefeln mit braunen
Stolpen. Der Verfasser hat ihn nie besucht,
auch nicht bey sich gesehen; manchmal traf er
ihn bey Freunden. Die Aeußerungen des

chen, heute, morgen und uͤbermorgen, ja ſein
ganzes Leben.“

Nur wenig, aber gerade ſoviel als noͤthig
ſeyn mag, kann ich nunmehr von einem jun¬
gen Manne ſagen, deſſen Name in der Fol¬
gezeit nur allzu oft genannt worden. Es war
Jeruſalem, der Sohn des frey und zart
denkenden Gottesgelehrten. Auch er war bey
einer Geſandſchaft angeſtellt: ſeine Geſtalt ge¬
faͤllig, mittlerer Groͤße, wohlgebaut; ein mehr
rundes als laͤngliches Geſicht; weiche ruhige
Zuͤge und was ſonſt noch einem huͤbſchen blon¬
den Juͤngling zukommen mag; blaue Augen
ſodann, mehr anziehend als ſprechend zu nen¬
nen. Seine Kleidung war die unter den Nie¬
derdeutſchen, in Nachahmung der Englaͤnder,
hergebrachte: blauer Frack, ledergelbe Weſte
und Unterkleider, und Stiefeln mit braunen
Stolpen. Der Verfaſſer hat ihn nie beſucht,
auch nicht bey ſich geſehen; manchmal traf er
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[337[237]/0245] chen, heute, morgen und uͤbermorgen, ja ſein ganzes Leben.“ Nur wenig, aber gerade ſoviel als noͤthig ſeyn mag, kann ich nunmehr von einem jun¬ gen Manne ſagen, deſſen Name in der Fol¬ gezeit nur allzu oft genannt worden. Es war Jeruſalem, der Sohn des frey und zart denkenden Gottesgelehrten. Auch er war bey einer Geſandſchaft angeſtellt: ſeine Geſtalt ge¬ faͤllig, mittlerer Groͤße, wohlgebaut; ein mehr rundes als laͤngliches Geſicht; weiche ruhige Zuͤge und was ſonſt noch einem huͤbſchen blon¬ den Juͤngling zukommen mag; blaue Augen ſodann, mehr anziehend als ſprechend zu nen¬ nen. Seine Kleidung war die unter den Nie¬ derdeutſchen, in Nachahmung der Englaͤnder, hergebrachte: blauer Frack, ledergelbe Weſte und Unterkleider, und Stiefeln mit braunen Stolpen. Der Verfaſſer hat ihn nie beſucht, auch nicht bey ſich geſehen; manchmal traf er ihn bey Freunden. Die Aeußerungen des

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 337[237]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/245>, abgerufen am 27.11.2024.