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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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hoffen und ein entschiedenes häusliches Glück
erwarten konnte. Ein Jeder gestand, auch
ohne diese Lebenszwecke eigennützig für sich im
Auge zu haben, daß sie ein wünschenswer¬
thes Frauenzimmer sey. Sie gehörte zu de¬
nen, die, wenn sie nicht heftige Leidenschaf¬
ten einflößen, doch ein allgemeines Gefallen
zu erregen geschaffen sind. Eine leicht aufge¬
baute, nett gebildete Gestalt, eine reine ge¬
sunde Natur und die daraus entspringende
frohe Lebensthätigkeit, eine unbefangene Be¬
handlung des täglich Nothwendigen, das alles
war ihr zusammen gegeben. In der Betrach¬
tung solcher Eigenschaften ward auch mir im¬
mer wohl, und ich gesellte mich gern zu de¬
nen die sie besaßen; und wenn ich nicht im¬
mer Gelegenheit fand ihnen wirkliche Dienste
zu leisten, so theilte ich mit ihnen lieber als
mit andern den Genuß jener unschuldigen Freu¬
den, die der Jugend immer zur Hand sind
und ohne große Bemühung und Aufwand er¬
griffen werden. Da es nun ferner ausge¬

hoffen und ein entſchiedenes haͤusliches Gluͤck
erwarten konnte. Ein Jeder geſtand, auch
ohne dieſe Lebenszwecke eigennuͤtzig fuͤr ſich im
Auge zu haben, daß ſie ein wuͤnſchenswer¬
thes Frauenzimmer ſey. Sie gehoͤrte zu de¬
nen, die, wenn ſie nicht heftige Leidenſchaf¬
ten einfloͤßen, doch ein allgemeines Gefallen
zu erregen geſchaffen ſind. Eine leicht aufge¬
baute, nett gebildete Geſtalt, eine reine ge¬
ſunde Natur und die daraus entſpringende
frohe Lebensthaͤtigkeit, eine unbefangene Be¬
handlung des taͤglich Nothwendigen, das alles
war ihr zuſammen gegeben. In der Betrach¬
tung ſolcher Eigenſchaften ward auch mir im¬
mer wohl, und ich geſellte mich gern zu de¬
nen die ſie beſaßen; und wenn ich nicht im¬
mer Gelegenheit fand ihnen wirkliche Dienſte
zu leiſten, ſo theilte ich mit ihnen lieber als
mit andern den Genuß jener unſchuldigen Freu¬
den, die der Jugend immer zur Hand ſind
und ohne große Bemuͤhung und Aufwand er¬
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[232/0240] hoffen und ein entſchiedenes haͤusliches Gluͤck erwarten konnte. Ein Jeder geſtand, auch ohne dieſe Lebenszwecke eigennuͤtzig fuͤr ſich im Auge zu haben, daß ſie ein wuͤnſchenswer¬ thes Frauenzimmer ſey. Sie gehoͤrte zu de¬ nen, die, wenn ſie nicht heftige Leidenſchaf¬ ten einfloͤßen, doch ein allgemeines Gefallen zu erregen geſchaffen ſind. Eine leicht aufge¬ baute, nett gebildete Geſtalt, eine reine ge¬ ſunde Natur und die daraus entſpringende frohe Lebensthaͤtigkeit, eine unbefangene Be¬ handlung des taͤglich Nothwendigen, das alles war ihr zuſammen gegeben. In der Betrach¬ tung ſolcher Eigenſchaften ward auch mir im¬ mer wohl, und ich geſellte mich gern zu de¬ nen die ſie beſaßen; und wenn ich nicht im¬ mer Gelegenheit fand ihnen wirkliche Dienſte zu leiſten, ſo theilte ich mit ihnen lieber als mit andern den Genuß jener unſchuldigen Freu¬ den, die der Jugend immer zur Hand ſind und ohne große Bemuͤhung und Aufwand er¬ griffen werden. Da es nun ferner ausge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/240>, abgerufen am 23.11.2024.