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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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wie mich aber die ältere bey Licht besah,
brach sie in ein lautes Gelächter aus: denn
sie konnte wenig an sich halten.

Nach diesem ersten etwas wunderlichen
Empfang ward sogleich die Unterredung frey
und heiter, und was mir diesen Abend verbor¬
gen blieb, erfuhr ich den andern Morgen. Frie¬
drike hatte voraus gesagt, daß ich kommen
würde; und wer fühlt nicht einiges Behagen
beym Eintreffen einer Ahndung, selbst einer
traurigen? Alle Vorgefühle, wenn sie durch
das Ereigniß bestätigt werden, geben dem
Menschen einen höheren Begriff von sich selbst,
es sey nun, daß er sich so zart fühlend glau¬
ben kann, um einen Bezug in der Ferne zu ta¬
sten, oder so scharfsinnig, um nothwendige
aber doch ungewisse Verknüpfungen gewahr
zu werden. -- Oliviens Lachen blieb auch
kein Geheimniß; sie gestand, daß es ihr sehr
lustig vorgekommen, mich dießmal geputzt
und wohl ausstaffirt zu sehn; Friedrike

wie mich aber die aͤltere bey Licht beſah,
brach ſie in ein lautes Gelaͤchter aus: denn
ſie konnte wenig an ſich halten.

Nach dieſem erſten etwas wunderlichen
Empfang ward ſogleich die Unterredung frey
und heiter, und was mir dieſen Abend verbor¬
gen blieb, erfuhr ich den andern Morgen. Frie¬
drike hatte voraus geſagt, daß ich kommen
wuͤrde; und wer fuͤhlt nicht einiges Behagen
beym Eintreffen einer Ahndung, ſelbſt einer
traurigen? Alle Vorgefuͤhle, wenn ſie durch
das Ereigniß beſtaͤtigt werden, geben dem
Menſchen einen hoͤheren Begriff von ſich ſelbſt,
es ſey nun, daß er ſich ſo zart fuͤhlend glau¬
ben kann, um einen Bezug in der Ferne zu ta¬
ſten, oder ſo ſcharfſinnig, um nothwendige
aber doch ungewiſſe Verknuͤpfungen gewahr
zu werden. — Oliviens Lachen blieb auch
kein Geheimniß; ſie geſtand, daß es ihr ſehr
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[13/0021] wie mich aber die aͤltere bey Licht beſah, brach ſie in ein lautes Gelaͤchter aus: denn ſie konnte wenig an ſich halten. Nach dieſem erſten etwas wunderlichen Empfang ward ſogleich die Unterredung frey und heiter, und was mir dieſen Abend verbor¬ gen blieb, erfuhr ich den andern Morgen. Frie¬ drike hatte voraus geſagt, daß ich kommen wuͤrde; und wer fuͤhlt nicht einiges Behagen beym Eintreffen einer Ahndung, ſelbſt einer traurigen? Alle Vorgefuͤhle, wenn ſie durch das Ereigniß beſtaͤtigt werden, geben dem Menſchen einen hoͤheren Begriff von ſich ſelbſt, es ſey nun, daß er ſich ſo zart fuͤhlend glau¬ ben kann, um einen Bezug in der Ferne zu ta¬ ſten, oder ſo ſcharfſinnig, um nothwendige aber doch ungewiſſe Verknuͤpfungen gewahr zu werden. — Oliviens Lachen blieb auch kein Geheimniß; ſie geſtand, daß es ihr ſehr luſtig vorgekommen, mich dießmal geputzt und wohl ausſtaffirt zu ſehn; Friedrike

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/21>, abgerufen am 24.11.2024.