Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

nen er mehr ironisch als herzlich begegnete.
Gälte dieß auch nur von einzelnen Fällen, so
war es für mich doch die Mehrzahl und Ur¬
sache, daß ich mich ihm zu nähern niemals
Verlangen trug.

Zwischen Herdern und uns waltete dage¬
gen ein gemüthlich literarisches Verkehr höchst
lebhaft fort, nur Schade, daß es sich niemals
ruhig und rein erhalten konnte. Aber Her¬
der unterließ sein Necken und Schelten nicht;
Merken brauchte man nicht viel zu reizen, der
mich denn auch zur Ungeduld aufzuregen wu߬
te. Weil nun Herder unter allen Schrift¬
stellern und Menschen Swiften am meisten
zu ehren schien, so hieß er unter uns gleich¬
falls der Dechant, und dieses gab abermals
zu mancherley Irrungen und Verdrießlichkei¬
ten Anlaß.

Demungeachtet freuten wir uns höchlich,
als wir vernahmen, daß er in Bückeburg

nen er mehr ironiſch als herzlich begegnete.
Gaͤlte dieß auch nur von einzelnen Faͤllen, ſo
war es fuͤr mich doch die Mehrzahl und Ur¬
ſache, daß ich mich ihm zu naͤhern niemals
Verlangen trug.

Zwiſchen Herdern und uns waltete dage¬
gen ein gemuͤthlich literariſches Verkehr hoͤchſt
lebhaft fort, nur Schade, daß es ſich niemals
ruhig und rein erhalten konnte. Aber Her¬
der unterließ ſein Necken und Schelten nicht;
Merken brauchte man nicht viel zu reizen, der
mich denn auch zur Ungeduld aufzuregen wu߬
te. Weil nun Herder unter allen Schrift¬
ſtellern und Menſchen Swiften am meiſten
zu ehren ſchien, ſo hieß er unter uns gleich¬
falls der Dechant, und dieſes gab abermals
zu mancherley Irrungen und Verdrießlichkei¬
ten Anlaß.

Demungeachtet freuten wir uns hoͤchlich,
als wir vernahmen, daß er in Buͤckeburg

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="168"/>
nen er mehr ironi&#x017F;ch als herzlich begegnete.<lb/>
Ga&#x0364;lte dieß auch nur von einzelnen Fa&#x0364;llen, &#x017F;o<lb/>
war es fu&#x0364;r mich doch die Mehrzahl und Ur¬<lb/>
&#x017F;ache, daß ich mich ihm zu na&#x0364;hern niemals<lb/>
Verlangen trug.</p><lb/>
        <p>Zwi&#x017F;chen Herdern und uns waltete dage¬<lb/>
gen ein gemu&#x0364;thlich literari&#x017F;ches Verkehr ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
lebhaft fort, nur Schade, daß es &#x017F;ich niemals<lb/>
ruhig und rein erhalten konnte. Aber Her¬<lb/>
der unterließ &#x017F;ein Necken und Schelten nicht;<lb/>
Merken brauchte man nicht viel zu reizen, der<lb/>
mich denn auch zur Ungeduld aufzuregen wu߬<lb/>
te. Weil nun Herder unter allen Schrift¬<lb/>
&#x017F;tellern und Men&#x017F;chen Swiften am mei&#x017F;ten<lb/>
zu ehren &#x017F;chien, &#x017F;o hieß er unter uns gleich¬<lb/>
falls der Dechant, und die&#x017F;es gab abermals<lb/>
zu mancherley Irrungen und Verdrießlichkei¬<lb/>
ten Anlaß.</p><lb/>
        <p>Demungeachtet freuten wir uns ho&#x0364;chlich,<lb/>
als wir vernahmen, daß er in <hi rendition="#g">Bu&#x0364;ckeburg</hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0176] nen er mehr ironiſch als herzlich begegnete. Gaͤlte dieß auch nur von einzelnen Faͤllen, ſo war es fuͤr mich doch die Mehrzahl und Ur¬ ſache, daß ich mich ihm zu naͤhern niemals Verlangen trug. Zwiſchen Herdern und uns waltete dage¬ gen ein gemuͤthlich literariſches Verkehr hoͤchſt lebhaft fort, nur Schade, daß es ſich niemals ruhig und rein erhalten konnte. Aber Her¬ der unterließ ſein Necken und Schelten nicht; Merken brauchte man nicht viel zu reizen, der mich denn auch zur Ungeduld aufzuregen wu߬ te. Weil nun Herder unter allen Schrift¬ ſtellern und Menſchen Swiften am meiſten zu ehren ſchien, ſo hieß er unter uns gleich¬ falls der Dechant, und dieſes gab abermals zu mancherley Irrungen und Verdrießlichkei¬ ten Anlaß. Demungeachtet freuten wir uns hoͤchlich, als wir vernahmen, daß er in Buͤckeburg

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/176
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/176>, abgerufen am 26.11.2024.