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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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lassen, welche, wenn sie auch im Stande seyn
sollte, das Ganze zu zerstückeln und zu zer¬
splittern, dennoch niemals dahin gelangen
würde, uns den eigentlichen Grund, an dem
wir festhalten, zu rauben, ja uns nicht einen
Augenblick an der einmal gefaßten Zuversicht
irre zu machen.

Diese aus Glauben und Schauen entsprun¬
gene Ueberzeugung, welche in allen Fällen, die
wir für die wichtigsten erkennen, anwendbar
und stärkend ist, liegt zum Grunde meinem
sittlichen sowohl als literarischen Lebensbau,
und ist als ein wohl angelegtes und reichlich
wucherndes Capital anzusehn, ob wir gleich
in einzelnen Fällen zu fehlerhafter Anwendung
verleitet werden können. Durch diesen Be¬
griff ward mir denn die Bibel erst recht zu¬
gänglich. Ich hatte sie, wie bey dem Reli¬
gionsunterricht der Protestanten geschieht, mehr¬
mals durchlaufen, ja mich mit derselben sprung¬
weise, von vorn nach hinten und umgekehrt,

laſſen, welche, wenn ſie auch im Stande ſeyn
ſollte, das Ganze zu zerſtuͤckeln und zu zer¬
ſplittern, dennoch niemals dahin gelangen
wuͤrde, uns den eigentlichen Grund, an dem
wir feſthalten, zu rauben, ja uns nicht einen
Augenblick an der einmal gefaßten Zuverſicht
irre zu machen.

Dieſe aus Glauben und Schauen entſprun¬
gene Ueberzeugung, welche in allen Faͤllen, die
wir fuͤr die wichtigſten erkennen, anwendbar
und ſtaͤrkend iſt, liegt zum Grunde meinem
ſittlichen ſowohl als literariſchen Lebensbau,
und iſt als ein wohl angelegtes und reichlich
wucherndes Capital anzuſehn, ob wir gleich
in einzelnen Faͤllen zu fehlerhafter Anwendung
verleitet werden koͤnnen. Durch dieſen Be¬
griff ward mir denn die Bibel erſt recht zu¬
gaͤnglich. Ich hatte ſie, wie bey dem Reli¬
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[154/0162] laſſen, welche, wenn ſie auch im Stande ſeyn ſollte, das Ganze zu zerſtuͤckeln und zu zer¬ ſplittern, dennoch niemals dahin gelangen wuͤrde, uns den eigentlichen Grund, an dem wir feſthalten, zu rauben, ja uns nicht einen Augenblick an der einmal gefaßten Zuverſicht irre zu machen. Dieſe aus Glauben und Schauen entſprun¬ gene Ueberzeugung, welche in allen Faͤllen, die wir fuͤr die wichtigſten erkennen, anwendbar und ſtaͤrkend iſt, liegt zum Grunde meinem ſittlichen ſowohl als literariſchen Lebensbau, und iſt als ein wohl angelegtes und reichlich wucherndes Capital anzuſehn, ob wir gleich in einzelnen Faͤllen zu fehlerhafter Anwendung verleitet werden koͤnnen. Durch dieſen Be¬ griff ward mir denn die Bibel erſt recht zu¬ gaͤnglich. Ich hatte ſie, wie bey dem Reli¬ gionsunterricht der Proteſtanten geſchieht, mehr¬ mals durchlaufen, ja mich mit derſelben ſprung¬ weiſe, von vorn nach hinten und umgekehrt,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/162>, abgerufen am 24.11.2024.