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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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die farbigen Scheibengemälde; in der fruchtba¬
ren Gegend zwischen Colmar und Schlettstadt
ertönten possirliche Hymnen an Ceres, indem
der Verbrauch so vieler Früchte umständlich
aus einander gesetzt und angepriesen, auch die
wichtige Streitfrage über den freyen oder be¬
schränkten Handel derselben sehr lustig genom¬
men wurde. In Ensisheim sahen wir den un¬
geheuren Aerolithen in der Kirche aufgehan¬
gen, und spotteten, der Zweifelsucht jener Zeit
gemäß, über die Leichtgläubigkeit der Men¬
schen, nicht vorahndend, daß dergleichen luft¬
geborene Wesen wo nicht auf unsern eignen
Acker herabfallen, doch wenigstens in unsern
Cabinetten sollten verwahrt werden.

Einer mit hundert, ja tausend Gläubigen
auf den Ottilienberg begangenen Wallfahrt
denk' ich noch immer gern. Hier, wo das
Grundgemäuer eines römischen Castells noch
übrig, sollte sich in Ruinen und Steinritzen
eine schöne Grafentochter, aus frommer Nei¬

die farbigen Scheibengemaͤlde; in der fruchtba¬
ren Gegend zwiſchen Colmar und Schlettſtadt
ertoͤnten poſſirliche Hymnen an Ceres, indem
der Verbrauch ſo vieler Fruͤchte umſtaͤndlich
aus einander geſetzt und angeprieſen, auch die
wichtige Streitfrage uͤber den freyen oder be¬
ſchraͤnkten Handel derſelben ſehr luſtig genom¬
men wurde. In Enſisheim ſahen wir den un¬
geheuren Aërolithen in der Kirche aufgehan¬
gen, und ſpotteten, der Zweifelſucht jener Zeit
gemaͤß, uͤber die Leichtglaͤubigkeit der Men¬
ſchen, nicht vorahndend, daß dergleichen luft¬
geborene Weſen wo nicht auf unſern eignen
Acker herabfallen, doch wenigſtens in unſern
Cabinetten ſollten verwahrt werden.

Einer mit hundert, ja tauſend Glaͤubigen
auf den Ottilienberg begangenen Wallfahrt
denk' ich noch immer gern. Hier, wo das
Grundgemaͤuer eines roͤmiſchen Caſtells noch
uͤbrig, ſollte ſich in Ruinen und Steinritzen
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[120/0128] die farbigen Scheibengemaͤlde; in der fruchtba¬ ren Gegend zwiſchen Colmar und Schlettſtadt ertoͤnten poſſirliche Hymnen an Ceres, indem der Verbrauch ſo vieler Fruͤchte umſtaͤndlich aus einander geſetzt und angeprieſen, auch die wichtige Streitfrage uͤber den freyen oder be¬ ſchraͤnkten Handel derſelben ſehr luſtig genom¬ men wurde. In Enſisheim ſahen wir den un¬ geheuren Aërolithen in der Kirche aufgehan¬ gen, und ſpotteten, der Zweifelſucht jener Zeit gemaͤß, uͤber die Leichtglaͤubigkeit der Men¬ ſchen, nicht vorahndend, daß dergleichen luft¬ geborene Weſen wo nicht auf unſern eignen Acker herabfallen, doch wenigſtens in unſern Cabinetten ſollten verwahrt werden. Einer mit hundert, ja tauſend Glaͤubigen auf den Ottilienberg begangenen Wallfahrt denk' ich noch immer gern. Hier, wo das Grundgemaͤuer eines roͤmiſchen Caſtells noch uͤbrig, ſollte ſich in Ruinen und Steinritzen eine ſchoͤne Grafentochter, aus frommer Nei¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/128>, abgerufen am 27.11.2024.