niatowsky von Pohlen, Heinrich von Preu¬ ßen, Carl von Braunschweig bekannten sich als seine Vasallen; sogar Päbste glaubten ihn durch einige Nachgiebigkeit kirren zu müs¬ sen. Daß Joseph der Zweyte sich von ihm abhielt, gereichte diesem Fürsten nicht einmal zum Ruhme: denn es hätte ihm und seinen Unternehmungen nicht geschadet, wenn er, bey so schönem Verstande, bey so herrlichen Ge¬ sinnungen, etwas geistreicher, ein besserer Schätzer des Geistes gewesen wäre.
Das was ich hier gedrängt und in eini¬ gem Zusammenhange vortrage, tönte zu jener Zeit, als Ruf des Augenblicks, als ewig zwiespältiger Misklang, unzusammenhängend und unbelehrend in unseren Ohren. Immer hörte man nur das Lob der Vorfahren. Man forderte etwas Gutes, Neues; aber immer das Neuste wollte man nicht. Kaum hatte auf dem längst erstarrten Theater ein Pa¬ triot nationalfranzösische, herzerhebende Ge¬
niatowsky von Pohlen, Heinrich von Preu¬ ßen, Carl von Braunſchweig bekannten ſich als ſeine Vaſallen; ſogar Paͤbſte glaubten ihn durch einige Nachgiebigkeit kirren zu muͤſ¬ ſen. Daß Joſeph der Zweyte ſich von ihm abhielt, gereichte dieſem Fuͤrſten nicht einmal zum Ruhme: denn es haͤtte ihm und ſeinen Unternehmungen nicht geſchadet, wenn er, bey ſo ſchoͤnem Verſtande, bey ſo herrlichen Ge¬ ſinnungen, etwas geiſtreicher, ein beſſerer Schaͤtzer des Geiſtes geweſen waͤre.
Das was ich hier gedraͤngt und in eini¬ gem Zuſammenhange vortrage, toͤnte zu jener Zeit, als Ruf des Augenblicks, als ewig zwieſpaͤltiger Misklang, unzuſammenhaͤngend und unbelehrend in unſeren Ohren. Immer hoͤrte man nur das Lob der Vorfahren. Man forderte etwas Gutes, Neues; aber immer das Neuſte wollte man nicht. Kaum hatte auf dem laͤngſt erſtarrten Theater ein Pa¬ triot nationalfranzoͤſiſche, herzerhebende Ge¬
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ßen, Carl von Braunſchweig bekannten ſich
als ſeine Vaſallen; ſogar Paͤbſte glaubten
ihn durch einige Nachgiebigkeit kirren zu muͤſ¬
ſen. Daß Joſeph der Zweyte ſich von ihm
abhielt, gereichte dieſem Fuͤrſten nicht einmal
zum Ruhme: denn es haͤtte ihm und ſeinen
Unternehmungen nicht geſchadet, wenn er, bey
ſo ſchoͤnem Verſtande, bey ſo herrlichen Ge¬
ſinnungen, etwas geiſtreicher, ein beſſerer
Schaͤtzer des Geiſtes geweſen waͤre.
Das was ich hier gedraͤngt und in eini¬
gem Zuſammenhange vortrage, toͤnte zu jener
Zeit, als Ruf des Augenblicks, als ewig
zwieſpaͤltiger Misklang, unzuſammenhaͤngend
und unbelehrend in unſeren Ohren. Immer
hoͤrte man nur das Lob der Vorfahren. Man
forderte etwas Gutes, Neues; aber immer
das Neuſte wollte man nicht. Kaum hatte
auf dem laͤngſt erſtarrten Theater ein Pa¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/102>, abgerufen am 23.11.2024.
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