der Pleiße ein großes Uebergewicht zu haben. Zachariä's Renommist wird immer ein schätz¬ bares Document bleiben, woraus die dama¬ lige Lebens- und Sinnesart anschaulich her¬ vortritt; wie überhaupt seine Gedichte jedem willkommen seyn müssen, der sich einen Be¬ griff von dem zwar schwachen, aber wegen seiner Unschuld und Kindlichkeit liebenswürdi¬ gen Zustande des damaligen geselligen Lebens und Wesens machen will.
Alle Sitten, die aus einem gegebenen Verhältniß eines gemeinen Wesens entsprin¬ gen, sind unverwüstlich, und zu meiner Zeit erinnerte noch manches an Zachariä's Hel¬ dengedicht. Ein einziger unserer academischen Mitbürger hielt sich für reich und unabhängig genug, der öffentlichen Meynung ein Schnipp¬ chen zu schlagen. Er trank Schwägerschaft mit allen Lohnkutschern, die er, als wären's die Herren, sich in die Wagen setzen ließ und selbst vom Bocke fuhr, sie einmal umzuwer¬
der Pleiße ein großes Uebergewicht zu haben. Zachariaͤ's Renommiſt wird immer ein ſchaͤtz¬ bares Document bleiben, woraus die dama¬ lige Lebens- und Sinnesart anſchaulich her¬ vortritt; wie uͤberhaupt ſeine Gedichte jedem willkommen ſeyn muͤſſen, der ſich einen Be¬ griff von dem zwar ſchwachen, aber wegen ſeiner Unſchuld und Kindlichkeit liebenswuͤrdi¬ gen Zuſtande des damaligen geſelligen Lebens und Weſens machen will.
Alle Sitten, die aus einem gegebenen Verhaͤltniß eines gemeinen Weſens entſprin¬ gen, ſind unverwuͤſtlich, und zu meiner Zeit erinnerte noch manches an Zachariaͤ's Hel¬ dengedicht. Ein einziger unſerer academiſchen Mitbuͤrger hielt ſich fuͤr reich und unabhaͤngig genug, der oͤffentlichen Meynung ein Schnipp¬ chen zu ſchlagen. Er trank Schwaͤgerſchaft mit allen Lohnkutſchern, die er, als waͤren's die Herren, ſich in die Wagen ſetzen ließ und ſelbſt vom Bocke fuhr, ſie einmal umzuwer¬
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der Pleiße ein großes Uebergewicht zu haben.
Zachariaͤ's Renommiſt wird immer ein ſchaͤtz¬
bares Document bleiben, woraus die dama¬
lige Lebens- und Sinnesart anſchaulich her¬
vortritt; wie uͤberhaupt ſeine Gedichte jedem
willkommen ſeyn muͤſſen, der ſich einen Be¬
griff von dem zwar ſchwachen, aber wegen
ſeiner Unſchuld und Kindlichkeit liebenswuͤrdi¬
gen Zuſtande des damaligen geſelligen Lebens
und Weſens machen will.
Alle Sitten, die aus einem gegebenen
Verhaͤltniß eines gemeinen Weſens entſprin¬
gen, ſind unverwuͤſtlich, und zu meiner Zeit
erinnerte noch manches an Zachariaͤ's Hel¬
dengedicht. Ein einziger unſerer academiſchen
Mitbuͤrger hielt ſich fuͤr reich und unabhaͤngig
genug, der oͤffentlichen Meynung ein Schnipp¬
chen zu ſchlagen. Er trank Schwaͤgerſchaft
mit allen Lohnkutſchern, die er, als waͤren's
die Herren, ſich in die Wagen ſetzen ließ und
ſelbſt vom Bocke fuhr, ſie einmal umzuwer¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/98>, abgerufen am 24.11.2024.
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