fern für gut fand. Mein erst hartnäckiger Fleiß im Nachschreiben wurde nach und nach gelähmt, indem ich es höchst langweilig fand, dasjenige nochmals aufzuzeichnen, was ich bey meinem Vater, theils fragend, theils ant¬ wortend, oft genug wiederholt hatte, um es für immer im Gedächtniß zu behalten. Der Schaden, den man anrichtet, wenn man jun¬ ge Leute auf Schulen in manchen Dingen zu weit führt, hat sich späterhin noch mehr erge¬ ben, da man den Sprachübungen und der Begründung in dem, was eigentliche Vor¬ kenntnisse sind, Zeit und Aufmerksamkeit ab¬ brach, um sie an sogenannte Realitäten zu wenden, welche mehr zerstreuen als bilden, wenn sie nicht methodisch und vollständig über¬ liefert werden.
Noch ein anderes Uebel, wodurch Studi¬ rende sehr bedrängt sind, erwähne ich hier beyläufig. Professoren, so gut wie andere in Aemtern angestellte Männer, können nicht al¬
fern fuͤr gut fand. Mein erſt hartnaͤckiger Fleiß im Nachſchreiben wurde nach und nach gelaͤhmt, indem ich es hoͤchſt langweilig fand, dasjenige nochmals aufzuzeichnen, was ich bey meinem Vater, theils fragend, theils ant¬ wortend, oft genug wiederholt hatte, um es fuͤr immer im Gedaͤchtniß zu behalten. Der Schaden, den man anrichtet, wenn man jun¬ ge Leute auf Schulen in manchen Dingen zu weit fuͤhrt, hat ſich ſpaͤterhin noch mehr erge¬ ben, da man den Sprachuͤbungen und der Begruͤndung in dem, was eigentliche Vor¬ kenntniſſe ſind, Zeit und Aufmerkſamkeit ab¬ brach, um ſie an ſogenannte Realitaͤten zu wenden, welche mehr zerſtreuen als bilden, wenn ſie nicht methodiſch und vollſtaͤndig uͤber¬ liefert werden.
Noch ein anderes Uebel, wodurch Studi¬ rende ſehr bedraͤngt ſind, erwaͤhne ich hier beylaͤufig. Profeſſoren, ſo gut wie andere in Aemtern angeſtellte Maͤnner, koͤnnen nicht al¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0087"n="79"/>
fern fuͤr gut fand. Mein erſt hartnaͤckiger<lb/>
Fleiß im Nachſchreiben wurde nach und nach<lb/>
gelaͤhmt, indem ich es hoͤchſt langweilig fand,<lb/>
dasjenige nochmals aufzuzeichnen, was ich<lb/>
bey meinem Vater, theils fragend, theils ant¬<lb/>
wortend, oft genug wiederholt hatte, um es<lb/>
fuͤr immer im Gedaͤchtniß zu behalten. Der<lb/>
Schaden, den man anrichtet, wenn man jun¬<lb/>
ge Leute auf Schulen in manchen Dingen zu<lb/>
weit fuͤhrt, hat ſich ſpaͤterhin noch mehr erge¬<lb/>
ben, da man den Sprachuͤbungen und der<lb/>
Begruͤndung in dem, was eigentliche Vor¬<lb/>
kenntniſſe ſind, Zeit und Aufmerkſamkeit ab¬<lb/>
brach, um ſie an ſogenannte Realitaͤten zu<lb/>
wenden, welche mehr zerſtreuen als bilden,<lb/>
wenn ſie nicht methodiſch und vollſtaͤndig uͤber¬<lb/>
liefert werden.</p><lb/><p>Noch ein anderes Uebel, wodurch Studi¬<lb/>
rende ſehr bedraͤngt ſind, erwaͤhne ich hier<lb/>
beylaͤufig. Profeſſoren, ſo gut wie andere in<lb/>
Aemtern angeſtellte Maͤnner, koͤnnen nicht al¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[79/0087]
fern fuͤr gut fand. Mein erſt hartnaͤckiger
Fleiß im Nachſchreiben wurde nach und nach
gelaͤhmt, indem ich es hoͤchſt langweilig fand,
dasjenige nochmals aufzuzeichnen, was ich
bey meinem Vater, theils fragend, theils ant¬
wortend, oft genug wiederholt hatte, um es
fuͤr immer im Gedaͤchtniß zu behalten. Der
Schaden, den man anrichtet, wenn man jun¬
ge Leute auf Schulen in manchen Dingen zu
weit fuͤhrt, hat ſich ſpaͤterhin noch mehr erge¬
ben, da man den Sprachuͤbungen und der
Begruͤndung in dem, was eigentliche Vor¬
kenntniſſe ſind, Zeit und Aufmerkſamkeit ab¬
brach, um ſie an ſogenannte Realitaͤten zu
wenden, welche mehr zerſtreuen als bilden,
wenn ſie nicht methodiſch und vollſtaͤndig uͤber¬
liefert werden.
Noch ein anderes Uebel, wodurch Studi¬
rende ſehr bedraͤngt ſind, erwaͤhne ich hier
beylaͤufig. Profeſſoren, ſo gut wie andere in
Aemtern angeſtellte Maͤnner, koͤnnen nicht al¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/87>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.