freundlch genug und stellte mich seiner Gattinn vor. Beyde, so wie die übrigen Personen, denen ich aufwartete, gaben mir die beste Hoffnung wegen meines künftigen Aufenthal¬ tes; doch ließ ich mich anfangs gegen Nie¬ mand merken, was ich im Schilde führte, ob ich gleich den schicklichen Moment kaum er¬ warten konnte, wo ich mich von der Juris¬ prudenz frey und dem Studium der Alten ver¬ bunden erklären wollte. Vorsichtig wartete ich ab, bis Fleischers wieder abgereist waren, da¬ mit mein Vorsatz nicht allzugeschwind den Mei¬ nigen verrathen würde. Sodann aber ging ich ohne Anstand zu Hofrath Böhmen, dem ich vor allen die Sache glaubte vertrauen zu müssen, und erklärte ihm, mit vieler Conse¬ quenz und Parrhesie, meine Absicht. Allein ich fand keineswegs eine gute Aufnahme mei¬ nes Vortrags. Als Historiker und Staats¬ rechtler hatte er einen erklärten Haß gegen alles was nach schönen Wissenschaften schmeck¬ te. Unglücklicher Weise stand er mit denen,
freundlch genug und ſtellte mich ſeiner Gattinn vor. Beyde, ſo wie die uͤbrigen Perſonen, denen ich aufwartete, gaben mir die beſte Hoffnung wegen meines kuͤnftigen Aufenthal¬ tes; doch ließ ich mich anfangs gegen Nie¬ mand merken, was ich im Schilde fuͤhrte, ob ich gleich den ſchicklichen Moment kaum er¬ warten konnte, wo ich mich von der Juris¬ prudenz frey und dem Studium der Alten ver¬ bunden erklaͤren wollte. Vorſichtig wartete ich ab, bis Fleiſchers wieder abgereiſt waren, da¬ mit mein Vorſatz nicht allzugeſchwind den Mei¬ nigen verrathen wuͤrde. Sodann aber ging ich ohne Anſtand zu Hofrath Boͤhmen, dem ich vor allen die Sache glaubte vertrauen zu muͤſſen, und erklaͤrte ihm, mit vieler Conſe¬ quenz und Parrheſie, meine Abſicht. Allein ich fand keineswegs eine gute Aufnahme mei¬ nes Vortrags. Als Hiſtoriker und Staats¬ rechtler hatte er einen erklaͤrten Haß gegen alles was nach ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſchmeck¬ te. Ungluͤcklicher Weiſe ſtand er mit denen,
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freundlch genug und ſtellte mich ſeiner Gattinn
vor. Beyde, ſo wie die uͤbrigen Perſonen,
denen ich aufwartete, gaben mir die beſte
Hoffnung wegen meines kuͤnftigen Aufenthal¬
tes; doch ließ ich mich anfangs gegen Nie¬
mand merken, was ich im Schilde fuͤhrte,
ob ich gleich den ſchicklichen Moment kaum er¬
warten konnte, wo ich mich von der Juris¬
prudenz frey und dem Studium der Alten ver¬
bunden erklaͤren wollte. Vorſichtig wartete ich
ab, bis Fleiſchers wieder abgereiſt waren, da¬
mit mein Vorſatz nicht allzugeſchwind den Mei¬
nigen verrathen wuͤrde. Sodann aber ging
ich ohne Anſtand zu Hofrath Boͤhmen, dem
ich vor allen die Sache glaubte vertrauen zu
muͤſſen, und erklaͤrte ihm, mit vieler Conſe¬
quenz und Parrheſie, meine Abſicht. Allein
ich fand keineswegs eine gute Aufnahme mei¬
nes Vortrags. Als Hiſtoriker und Staats¬
rechtler hatte er einen erklaͤrten Haß gegen
alles was nach ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſchmeck¬
te. Ungluͤcklicher Weiſe ſtand er mit denen,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/81>, abgerufen am 21.11.2024.
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