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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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gegenwärtigen Verhältnisse düster, und stellte
mir die übrige unbekannte Welt licht und
heiter vor. So bildete ich mir meine Träu¬
me, denen ich ausschließlich nachhing, und
versprach mir in der Ferne nichts als Glück
und Zufriedenheit.

So sehr ich auch gegen Jedermann von
diesen meinen Vorsätzen ein Geheimniß mach¬
te, so konnte ich sie doch meiner Schwester
nicht verbergen, die, nachdem sie Anfangs dar¬
über sehr erschrocken war, sich zuletzt beru¬
higte, als ich ihr versprach sie nachzuholen,
damit sie sich meines erworbenen glänzenden
Zustandes mit mir erfreuen und an meinem
Wohlbehagen Theil nehmen könnte.

Michael kam endlich, sehnlich erwartet,
heran, da ich denn mit dem Buchhändler Flei¬
scher
und dessen Gattinn, einer geborenen
Triller, welche ihren Vater in Wittenberg
besuchen wollte, mit Vergnügen abfuhr, und

gegenwaͤrtigen Verhaͤltniſſe duͤſter, und ſtellte
mir die uͤbrige unbekannte Welt licht und
heiter vor. So bildete ich mir meine Traͤu¬
me, denen ich ausſchließlich nachhing, und
verſprach mir in der Ferne nichts als Gluͤck
und Zufriedenheit.

So ſehr ich auch gegen Jedermann von
dieſen meinen Vorſaͤtzen ein Geheimniß mach¬
te, ſo konnte ich ſie doch meiner Schweſter
nicht verbergen, die, nachdem ſie Anfangs dar¬
uͤber ſehr erſchrocken war, ſich zuletzt beru¬
higte, als ich ihr verſprach ſie nachzuholen,
damit ſie ſich meines erworbenen glaͤnzenden
Zuſtandes mit mir erfreuen und an meinem
Wohlbehagen Theil nehmen koͤnnte.

Michael kam endlich, ſehnlich erwartet,
heran, da ich denn mit dem Buchhaͤndler Flei¬
ſcher
und deſſen Gattinn, einer geborenen
Triller, welche ihren Vater in Wittenberg
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[64/0072] gegenwaͤrtigen Verhaͤltniſſe duͤſter, und ſtellte mir die uͤbrige unbekannte Welt licht und heiter vor. So bildete ich mir meine Traͤu¬ me, denen ich ausſchließlich nachhing, und verſprach mir in der Ferne nichts als Gluͤck und Zufriedenheit. So ſehr ich auch gegen Jedermann von dieſen meinen Vorſaͤtzen ein Geheimniß mach¬ te, ſo konnte ich ſie doch meiner Schweſter nicht verbergen, die, nachdem ſie Anfangs dar¬ uͤber ſehr erſchrocken war, ſich zuletzt beru¬ higte, als ich ihr verſprach ſie nachzuholen, damit ſie ſich meines erworbenen glaͤnzenden Zuſtandes mit mir erfreuen und an meinem Wohlbehagen Theil nehmen koͤnnte. Michael kam endlich, ſehnlich erwartet, heran, da ich denn mit dem Buchhaͤndler Flei¬ ſcher und deſſen Gattinn, einer geborenen Triller, welche ihren Vater in Wittenberg beſuchen wollte, mit Vergnuͤgen abfuhr, und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/72>, abgerufen am 21.11.2024.