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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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ren ruhte mein ganzes Vertrauen; mein sehn¬
lichster Wunsch war, zu ihren Füßen zu sitzen
und auf ihre Lehren zu merken. Aber mein
Vater blieb unbeweglich. Was auch einige
Hausfreunde, die meiner Meynung waren,
auf ihn zu wirken suchten; er bestand dar¬
auf, daß ich nach Leipzig gehen müsse. Nun
hielt ich den Entschluß, daß ich, gegen sei¬
ne Gesinnungen und Willen, eine eigne Stu¬
dien- und Lebensweise ergreifen wollte, erst
recht für Nothwehr. Die Hartnäckigkeit mei¬
nes Vater, der, ohne es zu wissen, sich mei¬
nen Planen entgegensetzte, bestärkte mich in
meiner Impietät, daß ich mir gar kein Ge¬
wissen daraus machte, ihm Stunden lang
zuzuhören, wenn er mir den Cursus der Stu¬
dien und des Lebens, wie ich ihn auf Aca¬
demieen und in der Welt zu durchlaufen hät¬
te, vorerzählte und wiederholte.

Da mir alle Hoffnung nach Göttingen
abgeschnitten war, wendete ich nun meinen

ren ruhte mein ganzes Vertrauen; mein ſehn¬
lichſter Wunſch war, zu ihren Fuͤßen zu ſitzen
und auf ihre Lehren zu merken. Aber mein
Vater blieb unbeweglich. Was auch einige
Hausfreunde, die meiner Meynung waren,
auf ihn zu wirken ſuchten; er beſtand dar¬
auf, daß ich nach Leipzig gehen muͤſſe. Nun
hielt ich den Entſchluß, daß ich, gegen ſei¬
ne Geſinnungen und Willen, eine eigne Stu¬
dien- und Lebensweiſe ergreifen wollte, erſt
recht fuͤr Nothwehr. Die Hartnaͤckigkeit mei¬
nes Vater, der, ohne es zu wiſſen, ſich mei¬
nen Planen entgegenſetzte, beſtaͤrkte mich in
meiner Impietaͤt, daß ich mir gar kein Ge¬
wiſſen daraus machte, ihm Stunden lang
zuzuhoͤren, wenn er mir den Curſus der Stu¬
dien und des Lebens, wie ich ihn auf Aca¬
demieen und in der Welt zu durchlaufen haͤt¬
te, vorerzaͤhlte und wiederholte.

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[62/0070] ren ruhte mein ganzes Vertrauen; mein ſehn¬ lichſter Wunſch war, zu ihren Fuͤßen zu ſitzen und auf ihre Lehren zu merken. Aber mein Vater blieb unbeweglich. Was auch einige Hausfreunde, die meiner Meynung waren, auf ihn zu wirken ſuchten; er beſtand dar¬ auf, daß ich nach Leipzig gehen muͤſſe. Nun hielt ich den Entſchluß, daß ich, gegen ſei¬ ne Geſinnungen und Willen, eine eigne Stu¬ dien- und Lebensweiſe ergreifen wollte, erſt recht fuͤr Nothwehr. Die Hartnaͤckigkeit mei¬ nes Vater, der, ohne es zu wiſſen, ſich mei¬ nen Planen entgegenſetzte, beſtaͤrkte mich in meiner Impietaͤt, daß ich mir gar kein Ge¬ wiſſen daraus machte, ihm Stunden lang zuzuhoͤren, wenn er mir den Curſus der Stu¬ dien und des Lebens, wie ich ihn auf Aca¬ demieen und in der Welt zu durchlaufen haͤt¬ te, vorerzaͤhlte und wiederholte. Da mir alle Hoffnung nach Goͤttingen abgeſchnitten war, wendete ich nun meinen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/70>, abgerufen am 21.11.2024.