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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Bemühungen, Reisen und mannigfaltiger Bil¬
dung endlich zwischen seinen Brandmauern ein
einsames Leben führen, wie ich mir es nicht
wünschen konnte? Dieß zusammen lag als eine
entsetzliche Last auf meinem Gemüthe, von der
ich mich nur zu befreyen wußte, indem ich
mir einen ganz anderen Lebensplan, als den
mir vorgeschriebenen, zu ersinnen trachtete.
Ich warf in Gedanken die juristischen Studien
weg und widmete mich allein den Sprachen,
den Alterthümern, der Geschichte und allem
was daraus hervorquillt.

Zwar machte mir jederzeit die poetische
Nachbildung dessen, was ich an mir selbst,
an Anderen und an der Natur gewahr ge¬
worden, das größte Vergnügen. Ich that
es mit immer wachsender Leichtigkeit, weil es
aus Instinct geschah und keine Kritik mich
irre gemacht hatte; und wenn ich auch meinen
Productionen nicht recht traute, so konnte ich
sie wohl als fehlerhaft, aber nicht als ganz ver¬

Bemuͤhungen, Reiſen und mannigfaltiger Bil¬
dung endlich zwiſchen ſeinen Brandmauern ein
einſames Leben fuͤhren, wie ich mir es nicht
wuͤnſchen konnte? Dieß zuſammen lag als eine
entſetzliche Laſt auf meinem Gemuͤthe, von der
ich mich nur zu befreyen wußte, indem ich
mir einen ganz anderen Lebensplan, als den
mir vorgeſchriebenen, zu erſinnen trachtete.
Ich warf in Gedanken die juriſtiſchen Studien
weg und widmete mich allein den Sprachen,
den Alterthuͤmern, der Geſchichte und allem
was daraus hervorquillt.

Zwar machte mir jederzeit die poetiſche
Nachbildung deſſen, was ich an mir ſelbſt,
an Anderen und an der Natur gewahr ge¬
worden, das groͤßte Vergnuͤgen. Ich that
es mit immer wachſender Leichtigkeit, weil es
aus Inſtinct geſchah und keine Kritik mich
irre gemacht hatte; und wenn ich auch meinen
Productionen nicht recht traute, ſo konnte ich
ſie wohl als fehlerhaft, aber nicht als ganz ver¬

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[60/0068] Bemuͤhungen, Reiſen und mannigfaltiger Bil¬ dung endlich zwiſchen ſeinen Brandmauern ein einſames Leben fuͤhren, wie ich mir es nicht wuͤnſchen konnte? Dieß zuſammen lag als eine entſetzliche Laſt auf meinem Gemuͤthe, von der ich mich nur zu befreyen wußte, indem ich mir einen ganz anderen Lebensplan, als den mir vorgeſchriebenen, zu erſinnen trachtete. Ich warf in Gedanken die juriſtiſchen Studien weg und widmete mich allein den Sprachen, den Alterthuͤmern, der Geſchichte und allem was daraus hervorquillt. Zwar machte mir jederzeit die poetiſche Nachbildung deſſen, was ich an mir ſelbſt, an Anderen und an der Natur gewahr ge¬ worden, das groͤßte Vergnuͤgen. Ich that es mit immer wachſender Leichtigkeit, weil es aus Inſtinct geſchah und keine Kritik mich irre gemacht hatte; und wenn ich auch meinen Productionen nicht recht traute, ſo konnte ich ſie wohl als fehlerhaft, aber nicht als ganz ver¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/68>, abgerufen am 21.11.2024.