glocke zu verhören. Außerdem gab er wenig Acht auf die Gesellschaft, auch kaum wenn er widersprach. Man hatte mich, um ihn sicherer zu machen, nicht zwischen die Schwe¬ stern, sondern an das Ende des Tisches ge¬ setzt, wo Georges manchmal zu sitzen pflegte. Als er, mir im Rücken, zur Thür herein¬ gekommen war, schlug er mir derb auf die Achsel und sagte: Georges, gesegnete Mahl¬ zeit! -- Schönen Dank, Junker! erwiederte ich. -- Die fremde Stimme, das fremde Gesicht erschreckten ihn. -- Was sagst du? rief Olivie, sieht er seinem Bruder nicht recht ähnlich? -- Ja wohl, von hinten, versetz¬ te Moses, der sich gleich wieder zu fassen wußte, wie allen Leuten. Er sah mich gar nicht wieder an und beschäftigte sich bloß, die Gerichte, die er nachzuholen hatte, eifrig hinunterzuschlingen. Dann beliebte es ihm auch, gelegentlich aufzustehen und sich in Hof und Garten etwas zu schaffen zu machen.
glocke zu verhoͤren. Außerdem gab er wenig Acht auf die Geſellſchaft, auch kaum wenn er widerſprach. Man hatte mich, um ihn ſicherer zu machen, nicht zwiſchen die Schwe¬ ſtern, ſondern an das Ende des Tiſches ge¬ ſetzt, wo Georges manchmal zu ſitzen pflegte. Als er, mir im Ruͤcken, zur Thuͤr herein¬ gekommen war, ſchlug er mir derb auf die Achſel und ſagte: Georges, geſegnete Mahl¬ zeit! — Schoͤnen Dank, Junker! erwiederte ich. — Die fremde Stimme, das fremde Geſicht erſchreckten ihn. — Was ſagſt du? rief Olivie, ſieht er ſeinem Bruder nicht recht aͤhnlich? — Ja wohl, von hinten, verſetz¬ te Moſes, der ſich gleich wieder zu faſſen wußte, wie allen Leuten. Er ſah mich gar nicht wieder an und beſchaͤftigte ſich bloß, die Gerichte, die er nachzuholen hatte, eifrig hinunterzuſchlingen. Dann beliebte es ihm auch, gelegentlich aufzuſtehen und ſich in Hof und Garten etwas zu ſchaffen zu machen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0575"n="567"/>
glocke zu verhoͤren. Außerdem gab er wenig<lb/>
Acht auf die Geſellſchaft, auch kaum wenn<lb/>
er widerſprach. Man hatte mich, um ihn<lb/>ſicherer zu machen, nicht zwiſchen die Schwe¬<lb/>ſtern, ſondern an das Ende des Tiſches ge¬<lb/>ſetzt, wo Georges manchmal zu ſitzen pflegte.<lb/>
Als er, mir im Ruͤcken, zur Thuͤr herein¬<lb/>
gekommen war, ſchlug er mir derb auf die<lb/>
Achſel und ſagte: Georges, geſegnete Mahl¬<lb/>
zeit! — Schoͤnen Dank, Junker! erwiederte<lb/>
ich. — Die fremde Stimme, das fremde<lb/>
Geſicht erſchreckten ihn. — Was ſagſt du?<lb/>
rief Olivie, ſieht er ſeinem Bruder nicht recht<lb/>
aͤhnlich? — Ja wohl, von hinten, verſetz¬<lb/>
te Moſes, der ſich gleich wieder zu faſſen<lb/>
wußte, wie allen Leuten. Er ſah mich gar<lb/>
nicht wieder an und beſchaͤftigte ſich bloß, die<lb/>
Gerichte, die er nachzuholen hatte, eifrig<lb/>
hinunterzuſchlingen. Dann beliebte es ihm<lb/>
auch, gelegentlich aufzuſtehen und ſich in Hof<lb/>
und Garten etwas zu ſchaffen zu machen.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[567/0575]
glocke zu verhoͤren. Außerdem gab er wenig
Acht auf die Geſellſchaft, auch kaum wenn
er widerſprach. Man hatte mich, um ihn
ſicherer zu machen, nicht zwiſchen die Schwe¬
ſtern, ſondern an das Ende des Tiſches ge¬
ſetzt, wo Georges manchmal zu ſitzen pflegte.
Als er, mir im Ruͤcken, zur Thuͤr herein¬
gekommen war, ſchlug er mir derb auf die
Achſel und ſagte: Georges, geſegnete Mahl¬
zeit! — Schoͤnen Dank, Junker! erwiederte
ich. — Die fremde Stimme, das fremde
Geſicht erſchreckten ihn. — Was ſagſt du?
rief Olivie, ſieht er ſeinem Bruder nicht recht
aͤhnlich? — Ja wohl, von hinten, verſetz¬
te Moſes, der ſich gleich wieder zu faſſen
wußte, wie allen Leuten. Er ſah mich gar
nicht wieder an und beſchaͤftigte ſich bloß, die
Gerichte, die er nachzuholen hatte, eifrig
hinunterzuſchlingen. Dann beliebte es ihm
auch, gelegentlich aufzuſtehen und ſich in Hof
und Garten etwas zu ſchaffen zu machen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/575>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.