mußt ihm aber zum Voraus verzeihen. -- Ich verstehe nicht, ich begreife nicht, sagte die Schwester, indem sie den Kopf schüttelte und Weylanden ansah, der, nach seiner stil¬ len Art, ganz ruhig dastand und die Sce¬ ne ohne irgend eine Aeußerung betrachtete. Friedricke stand auf und zog mich nach sich. Nicht gezaudert! rief sie, Pardon gebeten und gegeben! Nun ja! sagte ich, indem ich der ältesten ziemlich nahe trat: Pardon habe ich von Nöthen! Sie fuhr zurück, that ei¬ nen lauten Schrey und wurde roth über und über; dann warf sie sich aufs Gras, lachte überlaut und wollte sich gar nicht zufrieden geben. Weyland lächelte behaglich und rief: Du bist ein excellenter Junge! Dann schüt¬ telte er meine Hand in der seinigen. Ge¬ wöhnlich war er mit Liebkosungen nicht frey¬ gebig, aber sein Händedruck hatte etwas Herz¬ liches und Belebendes; doch war er auch mit diesem sparsam.
mußt ihm aber zum Voraus verzeihen. — Ich verſtehe nicht, ich begreife nicht, ſagte die Schweſter, indem ſie den Kopf ſchuͤttelte und Weylanden anſah, der, nach ſeiner ſtil¬ len Art, ganz ruhig daſtand und die Sce¬ ne ohne irgend eine Aeußerung betrachtete. Friedricke ſtand auf und zog mich nach ſich. Nicht gezaudert! rief ſie, Pardon gebeten und gegeben! Nun ja! ſagte ich, indem ich der aͤlteſten ziemlich nahe trat: Pardon habe ich von Noͤthen! Sie fuhr zuruͤck, that ei¬ nen lauten Schrey und wurde roth uͤber und uͤber; dann warf ſie ſich aufs Gras, lachte uͤberlaut und wollte ſich gar nicht zufrieden geben. Weyland laͤchelte behaglich und rief: Du biſt ein excellenter Junge! Dann ſchuͤt¬ telte er meine Hand in der ſeinigen. Ge¬ woͤhnlich war er mit Liebkoſungen nicht frey¬ gebig, aber ſein Haͤndedruck hatte etwas Herz¬ liches und Belebendes; doch war er auch mit dieſem ſparſam.
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mußt ihm aber zum Voraus verzeihen. —
Ich verſtehe nicht, ich begreife nicht, ſagte
die Schweſter, indem ſie den Kopf ſchuͤttelte
und Weylanden anſah, der, nach ſeiner ſtil¬
len Art, ganz ruhig daſtand und die Sce¬
ne ohne irgend eine Aeußerung betrachtete.
Friedricke ſtand auf und zog mich nach ſich.
Nicht gezaudert! rief ſie, Pardon gebeten
und gegeben! Nun ja! ſagte ich, indem ich
der aͤlteſten ziemlich nahe trat: Pardon habe
ich von Noͤthen! Sie fuhr zuruͤck, that ei¬
nen lauten Schrey und wurde roth uͤber und
uͤber; dann warf ſie ſich aufs Gras, lachte
uͤberlaut und wollte ſich gar nicht zufrieden
geben. Weyland laͤchelte behaglich und rief:
Du biſt ein excellenter Junge! Dann ſchuͤt¬
telte er meine Hand in der ſeinigen. Ge¬
woͤhnlich war er mit Liebkoſungen nicht frey¬
gebig, aber ſein Haͤndedruck hatte etwas Herz¬
liches und Belebendes; doch war er auch mit
dieſem ſparſam.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/570>, abgerufen am 23.11.2024.
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