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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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wieder zu finden, feyerte ich zuletzt mit einem
Kusse auf ihre Hand, die sie in den meini¬
gen ließ. Hatte sie bey dem gestrigen Mond¬
scheingang die Unkosten des Gesprächs über¬
nommen, so erstattete ich die Schuld nun
reichlich von meiner Seite. Das Vergnügen,
sie wiederzusehn und ihr alles sagen zu kön¬
nen, was ich gestern zurückhielt, war so groß,
daß ich in meiner Redseligkeit nicht bemerkte,
wie sie selbst nachdenkend und schweigend war.
Sie holte einige Mal tief Athem, und ich
bat sie aber und abermal um Verzeihung
wegen des Schrecks, den ich ihr verursacht
hatte. Wie lange wir mögen gesessen haben,
weiß ich nicht; aber auf einmal hörten wir
Rieckchen! Rieckchen! rufen. Es war die
Stimme der Schwester. -- Das wird eine
schöne Geschichte geben, sagte das liebe Mäd¬
chen, zu ihrer völligen Heiterkeit wieder her¬
gestellt. Sie kommt an meiner Seite her,
fügte sie hinzu, indem sie sich vorbog, mich

wieder zu finden, feyerte ich zuletzt mit einem
Kuſſe auf ihre Hand, die ſie in den meini¬
gen ließ. Hatte ſie bey dem geſtrigen Mond¬
ſcheingang die Unkoſten des Geſpraͤchs uͤber¬
nommen, ſo erſtattete ich die Schuld nun
reichlich von meiner Seite. Das Vergnuͤgen,
ſie wiederzuſehn und ihr alles ſagen zu koͤn¬
nen, was ich geſtern zuruͤckhielt, war ſo groß,
daß ich in meiner Redſeligkeit nicht bemerkte,
wie ſie ſelbſt nachdenkend und ſchweigend war.
Sie holte einige Mal tief Athem, und ich
bat ſie aber und abermal um Verzeihung
wegen des Schrecks, den ich ihr verurſacht
hatte. Wie lange wir moͤgen geſeſſen haben,
weiß ich nicht; aber auf einmal hoͤrten wir
Rieckchen! Rieckchen! rufen. Es war die
Stimme der Schweſter. — Das wird eine
ſchoͤne Geſchichte geben, ſagte das liebe Maͤd¬
chen, zu ihrer voͤlligen Heiterkeit wieder her¬
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[560/0568] wieder zu finden, feyerte ich zuletzt mit einem Kuſſe auf ihre Hand, die ſie in den meini¬ gen ließ. Hatte ſie bey dem geſtrigen Mond¬ ſcheingang die Unkoſten des Geſpraͤchs uͤber¬ nommen, ſo erſtattete ich die Schuld nun reichlich von meiner Seite. Das Vergnuͤgen, ſie wiederzuſehn und ihr alles ſagen zu koͤn¬ nen, was ich geſtern zuruͤckhielt, war ſo groß, daß ich in meiner Redſeligkeit nicht bemerkte, wie ſie ſelbſt nachdenkend und ſchweigend war. Sie holte einige Mal tief Athem, und ich bat ſie aber und abermal um Verzeihung wegen des Schrecks, den ich ihr verurſacht hatte. Wie lange wir moͤgen geſeſſen haben, weiß ich nicht; aber auf einmal hoͤrten wir Rieckchen! Rieckchen! rufen. Es war die Stimme der Schweſter. — Das wird eine ſchoͤne Geſchichte geben, ſagte das liebe Maͤd¬ chen, zu ihrer voͤlligen Heiterkeit wieder her¬ geſtellt. Sie kommt an meiner Seite her, fuͤgte ſie hinzu, indem ſie ſich vorbog, mich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/568>, abgerufen am 25.11.2024.