Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

sohn bemerkt, der auch heute früh, mit länd¬
lichen Anordnungen beschäftigt, mich aus sei¬
nem Hofe begrüßte. Er war von meiner Ge¬
stalt und hatte mich flüchtig an mich selbst er¬
innert. Gedacht, gethan! Mein Pferd war
kaum umgewendet, so befand ich mich in
Drusenheim; ich brachte es in den Stall und
machte dem Burschen kurz und gut den Vor¬
trag: er solle mir seine Kleider borgen, weil
ich in Sesenheim etwas Lustiges vorhabe.
Da brauchte ich nicht auszureden; er nahm
den Vorschlag mit Freuden an und lobte
mich, daß ich den Mamsells einen Spaß
machen wolle; sie wären so brav und gut,
besonders Mamsell Rieckchen, und auch die
Aeltern sähen gerne, daß es immer lustig und
vergnügt zuginge. Er betrachtete mich auf¬
merksam, und da er mich nach meinem Auf¬
zug für einen armen Schlucker halten mochte,
so sagte er: wenn Sie sich insinuiren wollen,
so ist das der rechte Weg. Wir waren in¬

ſohn bemerkt, der auch heute fruͤh, mit laͤnd¬
lichen Anordnungen beſchaͤftigt, mich aus ſei¬
nem Hofe begruͤßte. Er war von meiner Ge¬
ſtalt und hatte mich fluͤchtig an mich ſelbſt er¬
innert. Gedacht, gethan! Mein Pferd war
kaum umgewendet, ſo befand ich mich in
Druſenheim; ich brachte es in den Stall und
machte dem Burſchen kurz und gut den Vor¬
trag: er ſolle mir ſeine Kleider borgen, weil
ich in Seſenheim etwas Luſtiges vorhabe.
Da brauchte ich nicht auszureden; er nahm
den Vorſchlag mit Freuden an und lobte
mich, daß ich den Mamſells einen Spaß
machen wolle; ſie waͤren ſo brav und gut,
beſonders Mamſell Rieckchen, und auch die
Aeltern ſaͤhen gerne, daß es immer luſtig und
vergnuͤgt zuginge. Er betrachtete mich auf¬
merkſam, und da er mich nach meinem Auf¬
zug fuͤr einen armen Schlucker halten mochte,
ſo ſagte er: wenn Sie ſich inſinuiren wollen,
ſo iſt das der rechte Weg. Wir waren in¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0557" n="549"/>
&#x017F;ohn bemerkt, der auch heute fru&#x0364;h, mit la&#x0364;nd¬<lb/>
lichen Anordnungen be&#x017F;cha&#x0364;ftigt, mich aus &#x017F;ei¬<lb/>
nem Hofe begru&#x0364;ßte. Er war von meiner Ge¬<lb/>
&#x017F;talt und hatte mich flu&#x0364;chtig an mich &#x017F;elb&#x017F;t er¬<lb/>
innert. Gedacht, gethan! Mein Pferd war<lb/>
kaum umgewendet, &#x017F;o befand ich mich in<lb/>
Dru&#x017F;enheim; ich brachte es in den Stall und<lb/>
machte dem Bur&#x017F;chen kurz und gut den Vor¬<lb/>
trag: er &#x017F;olle mir &#x017F;eine Kleider borgen, weil<lb/>
ich in Se&#x017F;enheim etwas Lu&#x017F;tiges vorhabe.<lb/>
Da brauchte ich nicht auszureden; er nahm<lb/>
den Vor&#x017F;chlag mit Freuden an und lobte<lb/>
mich, daß ich den Mam&#x017F;ells einen Spaß<lb/>
machen wolle; &#x017F;ie wa&#x0364;ren &#x017F;o brav und gut,<lb/>
be&#x017F;onders Mam&#x017F;ell Rieckchen, und auch die<lb/>
Aeltern &#x017F;a&#x0364;hen gerne, daß es immer lu&#x017F;tig und<lb/>
vergnu&#x0364;gt zuginge. Er betrachtete mich auf¬<lb/>
merk&#x017F;am, und da er mich nach meinem Auf¬<lb/>
zug fu&#x0364;r einen armen Schlucker halten mochte,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;agte er: wenn Sie &#x017F;ich in&#x017F;inuiren wollen,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t das der rechte Weg. Wir waren in¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[549/0557] ſohn bemerkt, der auch heute fruͤh, mit laͤnd¬ lichen Anordnungen beſchaͤftigt, mich aus ſei¬ nem Hofe begruͤßte. Er war von meiner Ge¬ ſtalt und hatte mich fluͤchtig an mich ſelbſt er¬ innert. Gedacht, gethan! Mein Pferd war kaum umgewendet, ſo befand ich mich in Druſenheim; ich brachte es in den Stall und machte dem Burſchen kurz und gut den Vor¬ trag: er ſolle mir ſeine Kleider borgen, weil ich in Seſenheim etwas Luſtiges vorhabe. Da brauchte ich nicht auszureden; er nahm den Vorſchlag mit Freuden an und lobte mich, daß ich den Mamſells einen Spaß machen wolle; ſie waͤren ſo brav und gut, beſonders Mamſell Rieckchen, und auch die Aeltern ſaͤhen gerne, daß es immer luſtig und vergnuͤgt zuginge. Er betrachtete mich auf¬ merkſam, und da er mich nach meinem Auf¬ zug fuͤr einen armen Schlucker halten mochte, ſo ſagte er: wenn Sie ſich inſinuiren wollen, ſo iſt das der rechte Weg. Wir waren in¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/557
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/557>, abgerufen am 22.11.2024.