Ueber dieser Toilette war mein Freund aufgewacht und blickte, mit der Zufriedenheit eines guten Gewissens und im Gefühl einer freudigen Hoffnung für den Tag, aus der ge¬ stopften seidenen Decke. Ich hatte schon seine hübschen Kleider, wie sie über den Stuhl hin¬ gen, längst beneidet, und wäre er von meiner Taille gewesen, ich hätte sie ihm vor den Au¬ gen weggetragen, mich draußen umgezogen und ihm meine verwünschte Hülle, in den Garten eilend, zurückgelassen; er hätte guten Humor genug gehabt, sich in meine Kleider zu ste¬ cken, und das Mährchen wäre bey frühem Morgen zu einem lustigen Ende gelangt. Daran war aber nun gar nicht zu denken, so wenig als wie an irgend eine schickliche Vermittelung. In der Figur, in der mich mein Freund für einen zwar fleißigen und ge¬ schickten aber armen Studiosen der Theologie ausgeben konnte, wieder vor Friedricken hin¬ zutreten, die gestern Abend an mein verkleide¬
Ueber dieſer Toilette war mein Freund aufgewacht und blickte, mit der Zufriedenheit eines guten Gewiſſens und im Gefuͤhl einer freudigen Hoffnung fuͤr den Tag, aus der ge¬ ſtopften ſeidenen Decke. Ich hatte ſchon ſeine huͤbſchen Kleider, wie ſie uͤber den Stuhl hin¬ gen, laͤngſt beneidet, und waͤre er von meiner Taille geweſen, ich haͤtte ſie ihm vor den Au¬ gen weggetragen, mich draußen umgezogen und ihm meine verwuͤnſchte Huͤlle, in den Garten eilend, zuruͤckgelaſſen; er haͤtte guten Humor genug gehabt, ſich in meine Kleider zu ſte¬ cken, und das Maͤhrchen waͤre bey fruͤhem Morgen zu einem luſtigen Ende gelangt. Daran war aber nun gar nicht zu denken, ſo wenig als wie an irgend eine ſchickliche Vermittelung. In der Figur, in der mich mein Freund fuͤr einen zwar fleißigen und ge¬ ſchickten aber armen Studioſen der Theologie ausgeben konnte, wieder vor Friedricken hin¬ zutreten, die geſtern Abend an mein verkleide¬
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Ueber dieſer Toilette war mein Freund
aufgewacht und blickte, mit der Zufriedenheit
eines guten Gewiſſens und im Gefuͤhl einer
freudigen Hoffnung fuͤr den Tag, aus der ge¬
ſtopften ſeidenen Decke. Ich hatte ſchon ſeine
huͤbſchen Kleider, wie ſie uͤber den Stuhl hin¬
gen, laͤngſt beneidet, und waͤre er von meiner
Taille geweſen, ich haͤtte ſie ihm vor den Au¬
gen weggetragen, mich draußen umgezogen und
ihm meine verwuͤnſchte Huͤlle, in den Garten
eilend, zuruͤckgelaſſen; er haͤtte guten Humor
genug gehabt, ſich in meine Kleider zu ſte¬
cken, und das Maͤhrchen waͤre bey fruͤhem
Morgen zu einem luſtigen Ende gelangt.
Daran war aber nun gar nicht zu denken,
ſo wenig als wie an irgend eine ſchickliche
Vermittelung. In der Figur, in der mich
mein Freund fuͤr einen zwar fleißigen und ge¬
ſchickten aber armen Studioſen der Theologie
ausgeben konnte, wieder vor Friedricken hin¬
zutreten, die geſtern Abend an mein verkleide¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/554>, abgerufen am 25.11.2024.
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