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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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uns zahlreich? als um an einander wechselsei¬
tig Theil zu nehmen; und wie kann das ge¬
schehen ? wenn sich in unserem Kreise wieder
so viele kleine Absonderungen bemerken lassen.
Weit entfernt bin ich, etwas gegen so schöne
Verhältnisse meynen, oder nur daran rühren
zu wollen; aber alles hat seine Zeit ! ein schö¬
nes, großes Wort, woran freylich Niemand
denkt, wenn ihm für Zeitvertreib hinreichend
gesorgt ist."

Er fuhr darauf immer lebhafter und lusti¬
ger fort, die geselligen Tugenden den zärtli¬
chen Empfindungen gegenüberzustellen. Diese,
sagte er, können uns niemals fehlen, wir tra¬
gen sie immer bey uns, und Jeder wird dar¬
in leicht ohne Uebung ein Meister; aber jene
müssen wir aufsuchen, wir müssen uns um
sie bemühen, und wir mögen darin so viel
wir wollen fortschreiten, so lernt man sie doch
niemals ganz aus. -- Nun ging er ins Be¬
sondere. Mancher mochte sich getroffen füh¬

uns zahlreich? als um an einander wechſelſei¬
tig Theil zu nehmen; und wie kann das ge¬
ſchehen ? wenn ſich in unſerem Kreiſe wieder
ſo viele kleine Abſonderungen bemerken laſſen.
Weit entfernt bin ich, etwas gegen ſo ſchoͤne
Verhaͤltniſſe meynen, oder nur daran ruͤhren
zu wollen; aber alles hat ſeine Zeit ! ein ſchoͤ¬
nes, großes Wort, woran freylich Niemand
denkt, wenn ihm fuͤr Zeitvertreib hinreichend
geſorgt iſt.“

Er fuhr darauf immer lebhafter und luſti¬
ger fort, die geſelligen Tugenden den zaͤrtli¬
chen Empfindungen gegenuͤberzuſtellen. Dieſe,
ſagte er, koͤnnen uns niemals fehlen, wir tra¬
gen ſie immer bey uns, und Jeder wird dar¬
in leicht ohne Uebung ein Meiſter; aber jene
muͤſſen wir aufſuchen, wir muͤſſen uns um
ſie bemuͤhen, und wir moͤgen darin ſo viel
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niemals ganz aus. — Nun ging er ins Be¬
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[41/0049] uns zahlreich? als um an einander wechſelſei¬ tig Theil zu nehmen; und wie kann das ge¬ ſchehen ? wenn ſich in unſerem Kreiſe wieder ſo viele kleine Abſonderungen bemerken laſſen. Weit entfernt bin ich, etwas gegen ſo ſchoͤne Verhaͤltniſſe meynen, oder nur daran ruͤhren zu wollen; aber alles hat ſeine Zeit ! ein ſchoͤ¬ nes, großes Wort, woran freylich Niemand denkt, wenn ihm fuͤr Zeitvertreib hinreichend geſorgt iſt.“ Er fuhr darauf immer lebhafter und luſti¬ ger fort, die geſelligen Tugenden den zaͤrtli¬ chen Empfindungen gegenuͤberzuſtellen. Dieſe, ſagte er, koͤnnen uns niemals fehlen, wir tra¬ gen ſie immer bey uns, und Jeder wird dar¬ in leicht ohne Uebung ein Meiſter; aber jene muͤſſen wir aufſuchen, wir muͤſſen uns um ſie bemuͤhen, und wir moͤgen darin ſo viel wir wollen fortſchreiten, ſo lernt man ſie doch niemals ganz aus. — Nun ging er ins Be¬ ſondere. Mancher mochte ſich getroffen fuͤh¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/49>, abgerufen am 27.11.2024.