das seinen Blick kurz vorher auf eine gräu¬ liche Opferstätte gesammelt hielt. Der himm¬ lische Friede, welchen Klopstock bey Concep¬ tion und Ausführung dieses Gedichtes em¬ pfunden, theilt sich noch jetzt einem Jeden mit, der die ersten zehn Gesänge liest, ohne die Forderungen bey sich laut werden zu las¬ sen, auf die eine fortruckende Bildung nicht gerne Verzicht thut.
Die Würde des Gegenstands erhöhte dem Dichter das Gefühl eigner Persönlichkeit. Daß er selbst dereinst zu diesen Chören eintreten, daß der Gottmensch ihn auszeichnen, ihm von Angesicht zu Angesicht den Dank für sei¬ ne Bemühungen abtragen würde, den ihm schon hier jedes gefühlvolle, fromme Herz, durch manche reine Zähre, lieblich genug ent¬ richtet hatte: dieß waren so unschuldige kind¬ liche Gesinnungen und Hoffnungen, als sie nur ein wohlgeschaffenes Gemüth haben und hegen kann. So erwarb nun Klopstock das
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das ſeinen Blick kurz vorher auf eine graͤu¬ liche Opferſtaͤtte geſammelt hielt. Der himm¬ liſche Friede, welchen Klopſtock bey Concep¬ tion und Ausfuͤhrung dieſes Gedichtes em¬ pfunden, theilt ſich noch jetzt einem Jeden mit, der die erſten zehn Geſaͤnge lieſt, ohne die Forderungen bey ſich laut werden zu laſ¬ ſen, auf die eine fortruckende Bildung nicht gerne Verzicht thut.
Die Wuͤrde des Gegenſtands erhoͤhte dem Dichter das Gefuͤhl eigner Perſoͤnlichkeit. Daß er ſelbſt dereinſt zu dieſen Choͤren eintreten, daß der Gottmenſch ihn auszeichnen, ihm von Angeſicht zu Angeſicht den Dank fuͤr ſei¬ ne Bemuͤhungen abtragen wuͤrde, den ihm ſchon hier jedes gefuͤhlvolle, fromme Herz, durch manche reine Zaͤhre, lieblich genug ent¬ richtet hatte: dieß waren ſo unſchuldige kind¬ liche Geſinnungen und Hoffnungen, als ſie nur ein wohlgeſchaffenes Gemuͤth haben und hegen kann. So erwarb nun Klopſtock das
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das ſeinen Blick kurz vorher auf eine graͤu¬
liche Opferſtaͤtte geſammelt hielt. Der himm¬
liſche Friede, welchen Klopſtock bey Concep¬
tion und Ausfuͤhrung dieſes Gedichtes em¬
pfunden, theilt ſich noch jetzt einem Jeden
mit, der die erſten zehn Geſaͤnge lieſt, ohne
die Forderungen bey ſich laut werden zu laſ¬
ſen, auf die eine fortruckende Bildung nicht
gerne Verzicht thut.
Die Wuͤrde des Gegenſtands erhoͤhte dem
Dichter das Gefuͤhl eigner Perſoͤnlichkeit. Daß
er ſelbſt dereinſt zu dieſen Choͤren eintreten,
daß der Gottmenſch ihn auszeichnen, ihm
von Angeſicht zu Angeſicht den Dank fuͤr ſei¬
ne Bemuͤhungen abtragen wuͤrde, den ihm
ſchon hier jedes gefuͤhlvolle, fromme Herz,
durch manche reine Zaͤhre, lieblich genug ent¬
richtet hatte: dieß waren ſo unſchuldige kind¬
liche Geſinnungen und Hoffnungen, als ſie
nur ein wohlgeſchaffenes Gemuͤth haben und
hegen kann. So erwarb nun Klopſtock das
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/459>, abgerufen am 25.11.2024.
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