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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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auch nicht. Die Frauen hielten sich in eini¬
ger Entfernung. Meine arme Schwester be¬
sonders stand immer am weitesten; eine an¬
dere rückte Ihnen immer näher, kam aber
nie an Ihre Seite: denn es stellte sich ein
Dritter dazwischen. Ich will Ihnen nur ge¬
stehen, daß ich mich unter der zweyten Dame
gedacht hatte, und nach diesem Bekenntnisse
werden Sie meinen wohlmeynenden Rath am
besten begreifen. Einem entfernten Freund
habe ich mein Herz und meine Hand zugesagt,
und bis jetzt liebt' ich ihn über alles; doch
es wäre möglich, daß Ihre Gegenwart mir
bedeutender würde als bisher, und was wür¬
den Sie für einen Stand zwischen zwey
Schwestern haben, davon Sie die eine durch
Neigung und die andere durch Kälte unglück¬
lich gemacht hätten, und alle diese Qual um
nichts und auf kurze Zeit. Denn wenn wir
nicht schon wüßten, wer Sie sind und was Sie
zu hoffen haben, so hätte mir es die Karte

auch nicht. Die Frauen hielten ſich in eini¬
ger Entfernung. Meine arme Schweſter be¬
ſonders ſtand immer am weiteſten; eine an¬
dere ruͤckte Ihnen immer naͤher, kam aber
nie an Ihre Seite: denn es ſtellte ſich ein
Dritter dazwiſchen. Ich will Ihnen nur ge¬
ſtehen, daß ich mich unter der zweyten Dame
gedacht hatte, und nach dieſem Bekenntniſſe
werden Sie meinen wohlmeynenden Rath am
beſten begreifen. Einem entfernten Freund
habe ich mein Herz und meine Hand zugeſagt,
und bis jetzt liebt' ich ihn uͤber alles; doch
es waͤre moͤglich, daß Ihre Gegenwart mir
bedeutender wuͤrde als bisher, und was wuͤr¬
den Sie fuͤr einen Stand zwiſchen zwey
Schweſtern haben, davon Sie die eine durch
Neigung und die andere durch Kaͤlte ungluͤck¬
lich gemacht haͤtten, und alle dieſe Qual um
nichts und auf kurze Zeit. Denn wenn wir
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[439/0447] auch nicht. Die Frauen hielten ſich in eini¬ ger Entfernung. Meine arme Schweſter be¬ ſonders ſtand immer am weiteſten; eine an¬ dere ruͤckte Ihnen immer naͤher, kam aber nie an Ihre Seite: denn es ſtellte ſich ein Dritter dazwiſchen. Ich will Ihnen nur ge¬ ſtehen, daß ich mich unter der zweyten Dame gedacht hatte, und nach dieſem Bekenntniſſe werden Sie meinen wohlmeynenden Rath am beſten begreifen. Einem entfernten Freund habe ich mein Herz und meine Hand zugeſagt, und bis jetzt liebt' ich ihn uͤber alles; doch es waͤre moͤglich, daß Ihre Gegenwart mir bedeutender wuͤrde als bisher, und was wuͤr¬ den Sie fuͤr einen Stand zwiſchen zwey Schweſtern haben, davon Sie die eine durch Neigung und die andere durch Kaͤlte ungluͤck¬ lich gemacht haͤtten, und alle dieſe Qual um nichts und auf kurze Zeit. Denn wenn wir nicht ſchon wuͤßten, wer Sie ſind und was Sie zu hoffen haben, ſo haͤtte mir es die Karte

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/447>, abgerufen am 23.11.2024.