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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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ben wir noch ein wenig hier; denn ich will
es Ihnen nur gestehen, meine Schwester
hat eine Kartenschlägerinn bey sich, die ihr
offenbaren soll, wie es mit einem auswärti¬
gen Freund beschaffen ist, an dem ihr gan¬
zes Herz hängt, auf den sie alle ihre Hoff¬
nung gesetzt hat. Das meinige ist frey, fuhr
sie fort, und ich werde mich gewöhnen müs¬
sen, es verschmäht zu sehen. Ich sagte ihr
darauf einige Artigkeiten, indem ich versetzte,
daß sie sich, wie es damit stehe, am ersten
überzeugen könne, wenn sie die weise Frau
gleichfalls befragte; ich wolle es auch thun,
denn ich hätte schon längst so etwas zu erfah¬
ren gewünscht, woran mir bisher der Glau¬
be gefehlt habe. Sie tadelte mich deshalb
und betheuerte, daß nichts in der Welt sich¬
rer sey, als die Aussprüche dieses Orakels,
nur müsse man es nicht aus Scherz und Fre¬
vel, sondern nur in wahren Anliegenheiten
befragen. Ich nöthigte sie jedoch zuletzt mit
mir in jenes Zimmer zu gehen, sobald sie

ben wir noch ein wenig hier; denn ich will
es Ihnen nur geſtehen, meine Schweſter
hat eine Kartenſchlaͤgerinn bey ſich, die ihr
offenbaren ſoll, wie es mit einem auswaͤrti¬
gen Freund beſchaffen iſt, an dem ihr gan¬
zes Herz haͤngt, auf den ſie alle ihre Hoff¬
nung geſetzt hat. Das meinige iſt frey, fuhr
ſie fort, und ich werde mich gewoͤhnen muͤſ¬
ſen, es verſchmaͤht zu ſehen. Ich ſagte ihr
darauf einige Artigkeiten, indem ich verſetzte,
daß ſie ſich, wie es damit ſtehe, am erſten
uͤberzeugen koͤnne, wenn ſie die weiſe Frau
gleichfalls befragte; ich wolle es auch thun,
denn ich haͤtte ſchon laͤngſt ſo etwas zu erfah¬
ren gewuͤnſcht, woran mir bisher der Glau¬
be gefehlt habe. Sie tadelte mich deshalb
und betheuerte, daß nichts in der Welt ſich¬
rer ſey, als die Ausſpruͤche dieſes Orakels,
nur muͤſſe man es nicht aus Scherz und Fre¬
vel, ſondern nur in wahren Anliegenheiten
befragen. Ich noͤthigte ſie jedoch zuletzt mit
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[431/0439] ben wir noch ein wenig hier; denn ich will es Ihnen nur geſtehen, meine Schweſter hat eine Kartenſchlaͤgerinn bey ſich, die ihr offenbaren ſoll, wie es mit einem auswaͤrti¬ gen Freund beſchaffen iſt, an dem ihr gan¬ zes Herz haͤngt, auf den ſie alle ihre Hoff¬ nung geſetzt hat. Das meinige iſt frey, fuhr ſie fort, und ich werde mich gewoͤhnen muͤſ¬ ſen, es verſchmaͤht zu ſehen. Ich ſagte ihr darauf einige Artigkeiten, indem ich verſetzte, daß ſie ſich, wie es damit ſtehe, am erſten uͤberzeugen koͤnne, wenn ſie die weiſe Frau gleichfalls befragte; ich wolle es auch thun, denn ich haͤtte ſchon laͤngſt ſo etwas zu erfah¬ ren gewuͤnſcht, woran mir bisher der Glau¬ be gefehlt habe. Sie tadelte mich deshalb und betheuerte, daß nichts in der Welt ſich¬ rer ſey, als die Ausſpruͤche dieſes Orakels, nur muͤſſe man es nicht aus Scherz und Fre¬ vel, ſondern nur in wahren Anliegenheiten befragen. Ich noͤthigte ſie jedoch zuletzt mit mir in jenes Zimmer zu gehen, ſobald ſie

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/439>, abgerufen am 24.11.2024.