religiös düsteren Character höchst widerwärtig machten; ich bestärkte mich in diesem Unwil¬ len, da mir nur geistlose Werke dieser Art, an denen man weder gute Verhältnisse, noch eine reine Consequenz gewahr wird, vors Ge¬ sicht gekommen waren. Hier aber glaubte ich eine neue Offenbarung zu erblicken, indem mir jenes Tadelnswerthe keineswegs erschien, sondern vielmehr das Gegentheil davon sich aufdrang.
Wie ich nun aber immer länger sah und überlegte, glaubte ich über das Vorgesagte noch größere Verdienste zu entdecken. Her¬ ausgefunden war das richtige Verhältniß der größeren Abtheilungen, die so sinnige als rei¬ che Verzierung bis ins Kleinste; nun aber erkannte ich noch die Verknüpfung dieser man¬ nigfaltigen Zieraten unter einander, die Hin¬ leitung von einem Haupttheile zum andern, die Verschränkung zwar gleichartiger, aber doch an Gestalt höchst abwechselnder Einzeln¬
religioͤs duͤſteren Character hoͤchſt widerwaͤrtig machten; ich beſtaͤrkte mich in dieſem Unwil¬ len, da mir nur geiſtloſe Werke dieſer Art, an denen man weder gute Verhaͤltniſſe, noch eine reine Conſequenz gewahr wird, vors Ge¬ ſicht gekommen waren. Hier aber glaubte ich eine neue Offenbarung zu erblicken, indem mir jenes Tadelnswerthe keineswegs erſchien, ſondern vielmehr das Gegentheil davon ſich aufdrang.
Wie ich nun aber immer laͤnger ſah und uͤberlegte, glaubte ich uͤber das Vorgeſagte noch groͤßere Verdienſte zu entdecken. Her¬ ausgefunden war das richtige Verhaͤltniß der groͤßeren Abtheilungen, die ſo ſinnige als rei¬ che Verzierung bis ins Kleinſte; nun aber erkannte ich noch die Verknuͤpfung dieſer man¬ nigfaltigen Zieraten unter einander, die Hin¬ leitung von einem Haupttheile zum andern, die Verſchraͤnkung zwar gleichartiger, aber doch an Geſtalt hoͤchſt abwechſelnder Einzeln¬
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religioͤs duͤſteren Character hoͤchſt widerwaͤrtig
machten; ich beſtaͤrkte mich in dieſem Unwil¬
len, da mir nur geiſtloſe Werke dieſer Art,
an denen man weder gute Verhaͤltniſſe, noch
eine reine Conſequenz gewahr wird, vors Ge¬
ſicht gekommen waren. Hier aber glaubte
ich eine neue Offenbarung zu erblicken, indem
mir jenes Tadelnswerthe keineswegs erſchien,
ſondern vielmehr das Gegentheil davon ſich
aufdrang.
Wie ich nun aber immer laͤnger ſah und
uͤberlegte, glaubte ich uͤber das Vorgeſagte
noch groͤßere Verdienſte zu entdecken. Her¬
ausgefunden war das richtige Verhaͤltniß der
groͤßeren Abtheilungen, die ſo ſinnige als rei¬
che Verzierung bis ins Kleinſte; nun aber
erkannte ich noch die Verknuͤpfung dieſer man¬
nigfaltigen Zieraten unter einander, die Hin¬
leitung von einem Haupttheile zum andern,
die Verſchraͤnkung zwar gleichartiger, aber
doch an Geſtalt hoͤchſt abwechſelnder Einzeln¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/424>, abgerufen am 25.11.2024.
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