Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ße bezog. Alle die seltsamen zufälligen Un¬
schicklichkeiten gaben uns wandelnden Müßig¬
gängern den willkommensten Anlaß unsern
Spott zu üben, Vorschläge zu Beschleunigung
der Vollendung nach Behrischens Art zu thun,
und die Möglichkeit derselben immer zu be¬
zweifeln, ob uns gleich manches neu entste¬
hende schöne Gebäude hätte auf andere Ge¬
danken bringen sollen. In wie weit jener
Vorsatz durch die lange Zeit begünstigt wor¬
den, wüßte ich nicht zu sagen.

Ein anderer Gegenstand, wovon sich die
protestantischen Straßburger gern unterhiel¬
ten, war die Vertreibung der Jesuiten. Die¬
se Väter hatten, sobald als die Stadt den
Franzosen zu Theil geworden, sich gleichfalls
eingefunden und um ein Domicilium nachge¬
sucht. Bald breiteten sie sich aber aus und
bauten ein herrliches Collegium, das an den
Münster dergestalt anstößt, daß das Hinter¬
theil der Kirche ein Drittheil seiner Face be¬

ße bezog. Alle die ſeltſamen zufaͤlligen Un¬
ſchicklichkeiten gaben uns wandelnden Muͤßig¬
gaͤngern den willkommenſten Anlaß unſern
Spott zu uͤben, Vorſchlaͤge zu Beſchleunigung
der Vollendung nach Behriſchens Art zu thun,
und die Moͤglichkeit derſelben immer zu be¬
zweifeln, ob uns gleich manches neu entſte¬
hende ſchoͤne Gebaͤude haͤtte auf andere Ge¬
danken bringen ſollen. In wie weit jener
Vorſatz durch die lange Zeit beguͤnſtigt wor¬
den, wuͤßte ich nicht zu ſagen.

Ein anderer Gegenſtand, wovon ſich die
proteſtantiſchen Straßburger gern unterhiel¬
ten, war die Vertreibung der Jeſuiten. Die¬
ſe Vaͤter hatten, ſobald als die Stadt den
Franzoſen zu Theil geworden, ſich gleichfalls
eingefunden und um ein Domicilium nachge¬
ſucht. Bald breiteten ſie ſich aber aus und
bauten ein herrliches Collegium, das an den
Muͤnſter dergeſtalt anſtoͤßt, daß das Hinter¬
theil der Kirche ein Drittheil ſeiner Face be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0403" n="395"/>
ße bezog. Alle die &#x017F;elt&#x017F;amen zufa&#x0364;lligen Un¬<lb/>
&#x017F;chicklichkeiten gaben uns wandelnden Mu&#x0364;ßig¬<lb/>
ga&#x0364;ngern den willkommen&#x017F;ten Anlaß un&#x017F;ern<lb/>
Spott zu u&#x0364;ben, Vor&#x017F;chla&#x0364;ge zu Be&#x017F;chleunigung<lb/>
der Vollendung nach Behri&#x017F;chens Art zu thun,<lb/>
und die Mo&#x0364;glichkeit der&#x017F;elben immer zu be¬<lb/>
zweifeln, ob uns gleich manches neu ent&#x017F;te¬<lb/>
hende &#x017F;cho&#x0364;ne Geba&#x0364;ude ha&#x0364;tte auf andere Ge¬<lb/>
danken bringen &#x017F;ollen. In wie weit jener<lb/>
Vor&#x017F;atz durch die lange Zeit begu&#x0364;n&#x017F;tigt wor¬<lb/>
den, wu&#x0364;ßte ich nicht zu &#x017F;agen.</p><lb/>
        <p>Ein anderer Gegen&#x017F;tand, wovon &#x017F;ich die<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Straßburger gern unterhiel¬<lb/>
ten, war die Vertreibung der Je&#x017F;uiten. Die¬<lb/>
&#x017F;e Va&#x0364;ter hatten, &#x017F;obald als die Stadt den<lb/>
Franzo&#x017F;en zu Theil geworden, &#x017F;ich gleichfalls<lb/>
eingefunden und um ein Domicilium nachge¬<lb/>
&#x017F;ucht. Bald breiteten &#x017F;ie &#x017F;ich aber aus und<lb/>
bauten ein herrliches Collegium, das an den<lb/>
Mu&#x0364;n&#x017F;ter derge&#x017F;talt an&#x017F;to&#x0364;ßt, daß das Hinter¬<lb/>
theil der Kirche ein Drittheil &#x017F;einer Face be¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0403] ße bezog. Alle die ſeltſamen zufaͤlligen Un¬ ſchicklichkeiten gaben uns wandelnden Muͤßig¬ gaͤngern den willkommenſten Anlaß unſern Spott zu uͤben, Vorſchlaͤge zu Beſchleunigung der Vollendung nach Behriſchens Art zu thun, und die Moͤglichkeit derſelben immer zu be¬ zweifeln, ob uns gleich manches neu entſte¬ hende ſchoͤne Gebaͤude haͤtte auf andere Ge¬ danken bringen ſollen. In wie weit jener Vorſatz durch die lange Zeit beguͤnſtigt wor¬ den, wuͤßte ich nicht zu ſagen. Ein anderer Gegenſtand, wovon ſich die proteſtantiſchen Straßburger gern unterhiel¬ ten, war die Vertreibung der Jeſuiten. Die¬ ſe Vaͤter hatten, ſobald als die Stadt den Franzoſen zu Theil geworden, ſich gleichfalls eingefunden und um ein Domicilium nachge¬ ſucht. Bald breiteten ſie ſich aber aus und bauten ein herrliches Collegium, das an den Muͤnſter dergeſtalt anſtoͤßt, daß das Hinter¬ theil der Kirche ein Drittheil ſeiner Face be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/403
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/403>, abgerufen am 27.11.2024.