die uns eher verdüstern als aufklären, wie ein Nebel das Thal, woraus er sich empor¬ heben will, zudeckt und nicht erhellt, manche Irrungen und Verirrungen, die daraus ent¬ springen, theilten und bestanden die Geschwi¬ ster Hand in Hand, und wurden über ihre seltsamen Zustände um desto weniger aufge¬ klärt, als die heilige Scheu der nahen Ver¬ wandtschaft sie, indem sie sich einander mehr nähern, ins Klare treten wollten, nur immer gewaltiger aus einander hielt.
Ungern spreche ich dieß im Allgemeinen aus, was ich vor Jahren darzustellen unter¬ nahm, ohne daß ich es hätte ausführen kön¬ nen. Da ich dieses geliebte, unbegreifliche Wesen nur zu bald verlor, fühlte ich genug¬ samen Anlaß, mir ihren Werth zu vergegen¬ wärtigen, und so entstand bey mir der Be¬ griff eines dichterischen Ganzen, in welchem es möglich gewesen wäre, ihre Individualität darzustellen: allein es ließ sich dazu keine an¬
die uns eher verduͤſtern als aufklaͤren, wie ein Nebel das Thal, woraus er ſich empor¬ heben will, zudeckt und nicht erhellt, manche Irrungen und Verirrungen, die daraus ent¬ ſpringen, theilten und beſtanden die Geſchwi¬ ſter Hand in Hand, und wurden uͤber ihre ſeltſamen Zuſtaͤnde um deſto weniger aufge¬ klaͤrt, als die heilige Scheu der nahen Ver¬ wandtſchaft ſie, indem ſie ſich einander mehr naͤhern, ins Klare treten wollten, nur immer gewaltiger aus einander hielt.
Ungern ſpreche ich dieß im Allgemeinen aus, was ich vor Jahren darzuſtellen unter¬ nahm, ohne daß ich es haͤtte ausfuͤhren koͤn¬ nen. Da ich dieſes geliebte, unbegreifliche Weſen nur zu bald verlor, fuͤhlte ich genug¬ ſamen Anlaß, mir ihren Werth zu vergegen¬ waͤrtigen, und ſo entſtand bey mir der Be¬ griff eines dichteriſchen Ganzen, in welchem es moͤglich geweſen waͤre, ihre Individualitaͤt darzuſtellen: allein es ließ ſich dazu keine an¬
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die uns eher verduͤſtern als aufklaͤren, wie
ein Nebel das Thal, woraus er ſich empor¬
heben will, zudeckt und nicht erhellt, manche
Irrungen und Verirrungen, die daraus ent¬
ſpringen, theilten und beſtanden die Geſchwi¬
ſter Hand in Hand, und wurden uͤber ihre
ſeltſamen Zuſtaͤnde um deſto weniger aufge¬
klaͤrt, als die heilige Scheu der nahen Ver¬
wandtſchaft ſie, indem ſie ſich einander mehr
naͤhern, ins Klare treten wollten, nur immer
gewaltiger aus einander hielt.
Ungern ſpreche ich dieß im Allgemeinen
aus, was ich vor Jahren darzuſtellen unter¬
nahm, ohne daß ich es haͤtte ausfuͤhren koͤn¬
nen. Da ich dieſes geliebte, unbegreifliche
Weſen nur zu bald verlor, fuͤhlte ich genug¬
ſamen Anlaß, mir ihren Werth zu vergegen¬
waͤrtigen, und ſo entſtand bey mir der Be¬
griff eines dichteriſchen Ganzen, in welchem
es moͤglich geweſen waͤre, ihre Individualitaͤt
darzuſtellen: allein es ließ ſich dazu keine an¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/38>, abgerufen am 24.11.2024.
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