mit einigem Fleiße und qualificirte mich, wi¬ der meinen Willen, auf die leichteste Art zum Candidaten.
Da mir aber auf diesem Wege jede eigne Thätigkeit in dem Studium abgeschnitten ward; denn ich hatte für nichts Positives ei¬ nen Sinn, sondern wollte alles wo nicht ver¬ ständig, doch historisch erklärt haben; so fand ich für meine Kräfte einen größern Spiel¬ raum, den ich auf die wunderlichste Weise benutzte, indem ich einem Interesse nachgab, das mir zufällig von außen gebracht wurde.
Die meisten meiner Tischgenossen waren Mediciner. Diese sind, wie bekannt, die einzigen Studirenden, die sich von ihrer Wis¬ senschaft, ihrem Metier, auch außer den Lehr¬ stunden mit Lebhaftigkeit unterhalten. Es liegt dieses in der Natur der Sache. Die Gegenstände ihrer Bemühungen sind die sinn¬ lichsten und zugleich die höchsten, die einfach¬
mit einigem Fleiße und qualificirte mich, wi¬ der meinen Willen, auf die leichteſte Art zum Candidaten.
Da mir aber auf dieſem Wege jede eigne Thaͤtigkeit in dem Studium abgeſchnitten ward; denn ich hatte fuͤr nichts Poſitives ei¬ nen Sinn, ſondern wollte alles wo nicht ver¬ ſtaͤndig, doch hiſtoriſch erklaͤrt haben; ſo fand ich fuͤr meine Kraͤfte einen groͤßern Spiel¬ raum, den ich auf die wunderlichſte Weiſe benutzte, indem ich einem Intereſſe nachgab, das mir zufaͤllig von außen gebracht wurde.
Die meiſten meiner Tiſchgenoſſen waren Mediciner. Dieſe ſind, wie bekannt, die einzigen Studirenden, die ſich von ihrer Wiſ¬ ſenſchaft, ihrem Metier, auch außer den Lehr¬ ſtunden mit Lebhaftigkeit unterhalten. Es liegt dieſes in der Natur der Sache. Die Gegenſtaͤnde ihrer Bemuͤhungen ſind die ſinn¬ lichſten und zugleich die hoͤchſten, die einfach¬
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mit einigem Fleiße und qualificirte mich, wi¬
der meinen Willen, auf die leichteſte Art zum
Candidaten.
Da mir aber auf dieſem Wege jede eigne
Thaͤtigkeit in dem Studium abgeſchnitten
ward; denn ich hatte fuͤr nichts Poſitives ei¬
nen Sinn, ſondern wollte alles wo nicht ver¬
ſtaͤndig, doch hiſtoriſch erklaͤrt haben; ſo fand
ich fuͤr meine Kraͤfte einen groͤßern Spiel¬
raum, den ich auf die wunderlichſte Weiſe
benutzte, indem ich einem Intereſſe nachgab,
das mir zufaͤllig von außen gebracht wurde.
Die meiſten meiner Tiſchgenoſſen waren
Mediciner. Dieſe ſind, wie bekannt, die
einzigen Studirenden, die ſich von ihrer Wiſ¬
ſenſchaft, ihrem Metier, auch außer den Lehr¬
ſtunden mit Lebhaftigkeit unterhalten. Es
liegt dieſes in der Natur der Sache. Die
Gegenſtaͤnde ihrer Bemuͤhungen ſind die ſinn¬
lichſten und zugleich die hoͤchſten, die einfach¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/365>, abgerufen am 25.11.2024.
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