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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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meine Vorstellung gewonnen, und wendete
diese nun unvorsichtig im Gespräch auf unser
eigen Haus an. Mein Vater hatte die gan¬
ze Einrichtung desselben ersonnen und den
Bau mit großer Standhaftigkeit durchgeführt,
und es ließ sich auch, in sofern es eine
Wohnung für ihn und seine Familie aus¬
schließlich seyn sollte, nichts dagegen einwen¬
den; auch waren in diesem Sinne sehr viele
Häuser von Frankfurt gebaut. Die Treppe
ging frey hinauf und berührte große Vorsäle,
die selbst recht gut hätten Zimmer seyn kön¬
nen; wie wir denn auch die gute Jahreszeit
immer daselbst zubrachten. Allein dieses an¬
muthige heitere Daseyn einer einzelnen Fami¬
lie, diese Communication von oben bis unten
ward zur größten Unbequemlichkeit, sobald
mehrere Partieen das Haus bewohnten, wie
wir bey Gelegenheit der französischen Einquar¬
tierung nur zu sehr erfahren hatten. Denn
jene ängstliche Scene mit dem Königslieute¬
nant wäre nicht vorgefallen, ja mein Vater

meine Vorſtellung gewonnen, und wendete
dieſe nun unvorſichtig im Geſpraͤch auf unſer
eigen Haus an. Mein Vater hatte die gan¬
ze Einrichtung deſſelben erſonnen und den
Bau mit großer Standhaftigkeit durchgefuͤhrt,
und es ließ ſich auch, in ſofern es eine
Wohnung fuͤr ihn und ſeine Familie aus¬
ſchließlich ſeyn ſollte, nichts dagegen einwen¬
den; auch waren in dieſem Sinne ſehr viele
Haͤuſer von Frankfurt gebaut. Die Treppe
ging frey hinauf und beruͤhrte große Vorſaͤle,
die ſelbſt recht gut haͤtten Zimmer ſeyn koͤn¬
nen; wie wir denn auch die gute Jahreszeit
immer daſelbſt zubrachten. Allein dieſes an¬
muthige heitere Daſeyn einer einzelnen Fami¬
lie, dieſe Communication von oben bis unten
ward zur groͤßten Unbequemlichkeit, ſobald
mehrere Partieen das Haus bewohnten, wie
wir bey Gelegenheit der franzoͤſiſchen Einquar¬
tierung nur zu ſehr erfahren hatten. Denn
jene aͤngſtliche Scene mit dem Koͤnigslieute¬
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[344/0352] meine Vorſtellung gewonnen, und wendete dieſe nun unvorſichtig im Geſpraͤch auf unſer eigen Haus an. Mein Vater hatte die gan¬ ze Einrichtung deſſelben erſonnen und den Bau mit großer Standhaftigkeit durchgefuͤhrt, und es ließ ſich auch, in ſofern es eine Wohnung fuͤr ihn und ſeine Familie aus¬ ſchließlich ſeyn ſollte, nichts dagegen einwen¬ den; auch waren in dieſem Sinne ſehr viele Haͤuſer von Frankfurt gebaut. Die Treppe ging frey hinauf und beruͤhrte große Vorſaͤle, die ſelbſt recht gut haͤtten Zimmer ſeyn koͤn¬ nen; wie wir denn auch die gute Jahreszeit immer daſelbſt zubrachten. Allein dieſes an¬ muthige heitere Daſeyn einer einzelnen Fami¬ lie, dieſe Communication von oben bis unten ward zur groͤßten Unbequemlichkeit, ſobald mehrere Partieen das Haus bewohnten, wie wir bey Gelegenheit der franzoͤſiſchen Einquar¬ tierung nur zu ſehr erfahren hatten. Denn jene aͤngſtliche Scene mit dem Koͤnigslieute¬ nant waͤre nicht vorgefallen, ja mein Vater

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/352>, abgerufen am 24.11.2024.