hervorzurücken; nach langem Widerstande eilte er tief in der Nacht nach Hause und kam mit einem Gläschen crystallisirten trocknen Salzes zurück, welches in Wasser aufgelöst von dem Patienten verschluckt wurde und einen entschie¬ den alcalischen Geschmack hatte. Das Salz war kaum genommen, so zeigte sich eine Er¬ leichterung des Zustandes, und von dem Au¬ genblick an nahm die Krankheit eine Wen¬ dung, die stufenweise zur Besserung führte. Ich darf nicht sagen, wie sehr dieses den Glauben an unsern Arzt, und den Fleiß uns eines solchen Schatzes theilhaftig zu machen, stärkte und erhöhte.
Meine Freundinn, welche ältern- und ge¬ schwisterlos in einem großen wohlgelegnen Hause wohnte, hatte schon früher angefangen, sich einen kleinen Windofen, Kolben und Re¬ torten von mäßiger Größe anzuschaffen, und operirte nach Wellingischen Fingerzeigen und nach bedeutenden Winken des Arztes und
hervorzuruͤcken; nach langem Widerſtande eilte er tief in der Nacht nach Hauſe und kam mit einem Glaͤschen cryſtalliſirten trocknen Salzes zuruͤck, welches in Waſſer aufgeloͤſt von dem Patienten verſchluckt wurde und einen entſchie¬ den alcaliſchen Geſchmack hatte. Das Salz war kaum genommen, ſo zeigte ſich eine Er¬ leichterung des Zuſtandes, und von dem Au¬ genblick an nahm die Krankheit eine Wen¬ dung, die ſtufenweiſe zur Beſſerung fuͤhrte. Ich darf nicht ſagen, wie ſehr dieſes den Glauben an unſern Arzt, und den Fleiß uns eines ſolchen Schatzes theilhaftig zu machen, ſtaͤrkte und erhoͤhte.
Meine Freundinn, welche aͤltern- und ge¬ ſchwiſterlos in einem großen wohlgelegnen Hauſe wohnte, hatte ſchon fruͤher angefangen, ſich einen kleinen Windofen, Kolben und Re¬ torten von maͤßiger Groͤße anzuſchaffen, und operirte nach Wellingiſchen Fingerzeigen und nach bedeutenden Winken des Arztes und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0320"n="312"/>
hervorzuruͤcken; nach langem Widerſtande eilte<lb/>
er tief in der Nacht nach Hauſe und kam mit<lb/>
einem Glaͤschen cryſtalliſirten trocknen Salzes<lb/>
zuruͤck, welches in Waſſer aufgeloͤſt von dem<lb/>
Patienten verſchluckt wurde und einen entſchie¬<lb/>
den alcaliſchen Geſchmack hatte. Das Salz<lb/>
war kaum genommen, ſo zeigte ſich eine Er¬<lb/>
leichterung des Zuſtandes, und von dem Au¬<lb/>
genblick an nahm die Krankheit eine Wen¬<lb/>
dung, die ſtufenweiſe zur Beſſerung fuͤhrte.<lb/>
Ich darf nicht ſagen, wie ſehr dieſes den<lb/>
Glauben an unſern Arzt, und den Fleiß uns<lb/>
eines ſolchen Schatzes theilhaftig zu machen,<lb/>ſtaͤrkte und erhoͤhte.</p><lb/><p>Meine Freundinn, welche aͤltern- und ge¬<lb/>ſchwiſterlos in einem großen wohlgelegnen<lb/>
Hauſe wohnte, hatte ſchon fruͤher angefangen,<lb/>ſich einen kleinen Windofen, Kolben und Re¬<lb/>
torten von maͤßiger Groͤße anzuſchaffen, und<lb/>
operirte nach Wellingiſchen Fingerzeigen und<lb/>
nach bedeutenden Winken des Arztes und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[312/0320]
hervorzuruͤcken; nach langem Widerſtande eilte
er tief in der Nacht nach Hauſe und kam mit
einem Glaͤschen cryſtalliſirten trocknen Salzes
zuruͤck, welches in Waſſer aufgeloͤſt von dem
Patienten verſchluckt wurde und einen entſchie¬
den alcaliſchen Geſchmack hatte. Das Salz
war kaum genommen, ſo zeigte ſich eine Er¬
leichterung des Zuſtandes, und von dem Au¬
genblick an nahm die Krankheit eine Wen¬
dung, die ſtufenweiſe zur Beſſerung fuͤhrte.
Ich darf nicht ſagen, wie ſehr dieſes den
Glauben an unſern Arzt, und den Fleiß uns
eines ſolchen Schatzes theilhaftig zu machen,
ſtaͤrkte und erhoͤhte.
Meine Freundinn, welche aͤltern- und ge¬
ſchwiſterlos in einem großen wohlgelegnen
Hauſe wohnte, hatte ſchon fruͤher angefangen,
ſich einen kleinen Windofen, Kolben und Re¬
torten von maͤßiger Groͤße anzuſchaffen, und
operirte nach Wellingiſchen Fingerzeigen und
nach bedeutenden Winken des Arztes und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/320>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.