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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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fallen, wodurch die Natur, wenn auch vielleicht
auf phantastische Weise, in einer schönen Ver¬
knüpfung dargestellt wird; und so verwendeten
wir theils einzeln, theils zusammen, viele Zeit
an diese Seltsamkeiten, und brachten die Aben¬
de eines langen Winters, während dessen ich
die Stube hüten mußte, sehr vergnügt zu, in¬
dem wir zu Dreyen, meine Mutter mit einge¬
schlossen, uns an diesen Geheimnissen mehr
ergetzten, als die Offenbarung derselben hätte
thun können.

Mir war indeß noch eine sehr harte Prü¬
fung vorbereitet: denn eine gestörte und man
dürfte wohl sagen für gewisse Momente ver¬
nichtete Verdauung brachte solche Symptome
hervor, daß ich unter großen Beängstigungen
das Leben zu verlieren glaubte und keine ange¬
wandten Mittel weiter etwas fruchten wollten.
In diesen letzten Nöthen zwang meine bedräng¬
te Mutter mit dem größten Ungestüm den ver¬
legnen Arzt, mit seiner Universal-Medicin

fallen, wodurch die Natur, wenn auch vielleicht
auf phantaſtiſche Weiſe, in einer ſchoͤnen Ver¬
knuͤpfung dargeſtellt wird; und ſo verwendeten
wir theils einzeln, theils zuſammen, viele Zeit
an dieſe Seltſamkeiten, und brachten die Aben¬
de eines langen Winters, waͤhrend deſſen ich
die Stube huͤten mußte, ſehr vergnuͤgt zu, in¬
dem wir zu Dreyen, meine Mutter mit einge¬
ſchloſſen, uns an dieſen Geheimniſſen mehr
ergetzten, als die Offenbarung derſelben haͤtte
thun koͤnnen.

Mir war indeß noch eine ſehr harte Pruͤ¬
fung vorbereitet: denn eine geſtoͤrte und man
duͤrfte wohl ſagen fuͤr gewiſſe Momente ver¬
nichtete Verdauung brachte ſolche Symptome
hervor, daß ich unter großen Beaͤngſtigungen
das Leben zu verlieren glaubte und keine ange¬
wandten Mittel weiter etwas fruchten wollten.
In dieſen letzten Noͤthen zwang meine bedraͤng¬
te Mutter mit dem groͤßten Ungeſtuͤm den ver¬
legnen Arzt, mit ſeiner Univerſal-Medicin

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[311/0319] fallen, wodurch die Natur, wenn auch vielleicht auf phantaſtiſche Weiſe, in einer ſchoͤnen Ver¬ knuͤpfung dargeſtellt wird; und ſo verwendeten wir theils einzeln, theils zuſammen, viele Zeit an dieſe Seltſamkeiten, und brachten die Aben¬ de eines langen Winters, waͤhrend deſſen ich die Stube huͤten mußte, ſehr vergnuͤgt zu, in¬ dem wir zu Dreyen, meine Mutter mit einge¬ ſchloſſen, uns an dieſen Geheimniſſen mehr ergetzten, als die Offenbarung derſelben haͤtte thun koͤnnen. Mir war indeß noch eine ſehr harte Pruͤ¬ fung vorbereitet: denn eine geſtoͤrte und man duͤrfte wohl ſagen fuͤr gewiſſe Momente ver¬ nichtete Verdauung brachte ſolche Symptome hervor, daß ich unter großen Beaͤngſtigungen das Leben zu verlieren glaubte und keine ange¬ wandten Mittel weiter etwas fruchten wollten. In dieſen letzten Noͤthen zwang meine bedraͤng¬ te Mutter mit dem groͤßten Ungeſtuͤm den ver¬ legnen Arzt, mit ſeiner Univerſal-Medicin

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/319>, abgerufen am 24.11.2024.