Da nun aber gewöhnlich, wenn unser Seelenconcent am geistigsten gestimmt ist, die rohen, kreischenden Töne des Weltwesens am gewaltsamsten und ungestümsten einfallen, und der in Geheim immer fortwaltende Contrast, auf einmal hervortretend, nur desto empfind¬ licher wirkt, so sollte ich auch nicht aus der peripatetischen Schule meines Langers entlas¬ sen werden, ohne vorher noch ein, für Leip¬ zig wenigstens, seltsames Ereigniß erlebt zu haben, einen Tumult nämlich, den die Stu¬ direnden erregten und zwar aus folgendem Anlasse. Mit den Stadtsoldaten hatten sich junge Leute veruneinigt, es war nicht ohne Thätlichkeiten abgelaufen. Mehrere Studi¬ rende verbanden sich, die zugefügten Beleidi¬ gungen zu rächen. Die Soldaten widerstan¬ den hartnäckig und der Vortheil war nicht auf der Seite der sehr unzufriedenen acade¬ mischen Bürger. Nun ward erzählt, es hät¬ ten angesehene Personen wegen tapferen Wi¬ derstands die Obsiegenden gelobt und belohnt.
Da nun aber gewoͤhnlich, wenn unſer Seelenconcent am geiſtigſten geſtimmt iſt, die rohen, kreiſchenden Toͤne des Weltweſens am gewaltſamſten und ungeſtuͤmſten einfallen, und der in Geheim immer fortwaltende Contraſt, auf einmal hervortretend, nur deſto empfind¬ licher wirkt, ſo ſollte ich auch nicht aus der peripatetiſchen Schule meines Langers entlaſ¬ ſen werden, ohne vorher noch ein, fuͤr Leip¬ zig wenigſtens, ſeltſames Ereigniß erlebt zu haben, einen Tumult naͤmlich, den die Stu¬ direnden erregten und zwar aus folgendem Anlaſſe. Mit den Stadtſoldaten hatten ſich junge Leute veruneinigt, es war nicht ohne Thaͤtlichkeiten abgelaufen. Mehrere Studi¬ rende verbanden ſich, die zugefuͤgten Beleidi¬ gungen zu raͤchen. Die Soldaten widerſtan¬ den hartnaͤckig und der Vortheil war nicht auf der Seite der ſehr unzufriedenen acade¬ miſchen Buͤrger. Nun ward erzaͤhlt, es haͤt¬ ten angeſehene Perſonen wegen tapferen Wi¬ derſtands die Obſiegenden gelobt und belohnt.
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Da nun aber gewoͤhnlich, wenn unſer
Seelenconcent am geiſtigſten geſtimmt iſt, die
rohen, kreiſchenden Toͤne des Weltweſens am
gewaltſamſten und ungeſtuͤmſten einfallen, und
der in Geheim immer fortwaltende Contraſt,
auf einmal hervortretend, nur deſto empfind¬
licher wirkt, ſo ſollte ich auch nicht aus der
peripatetiſchen Schule meines Langers entlaſ¬
ſen werden, ohne vorher noch ein, fuͤr Leip¬
zig wenigſtens, ſeltſames Ereigniß erlebt zu
haben, einen Tumult naͤmlich, den die Stu¬
direnden erregten und zwar aus folgendem
Anlaſſe. Mit den Stadtſoldaten hatten ſich
junge Leute veruneinigt, es war nicht ohne
Thaͤtlichkeiten abgelaufen. Mehrere Studi¬
rende verbanden ſich, die zugefuͤgten Beleidi¬
gungen zu raͤchen. Die Soldaten widerſtan¬
den hartnaͤckig und der Vortheil war nicht
auf der Seite der ſehr unzufriedenen acade¬
miſchen Buͤrger. Nun ward erzaͤhlt, es haͤt¬
ten angeſehene Perſonen wegen tapferen Wi¬
derſtands die Obſiegenden gelobt und belohnt.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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